Der Indianer kennt keinen Schmerz… und lacht

Gestern waren wir an einem Konzert. Es fand bei Freunden in einem kleinen Rahmen statt. Da trifft man Leute, die man kennt. Man fragt nach dem Befinden, wie es einem ergangen ist in der Zeit, seit dem letzten Konzert oder als man sich zuletzt bei anderer Gelegenheit getroffen hat. „Wie geht es Dir?“, eine nicht nur rhetorische Frage, sondern ein gewisses Interesse aneinander ist da, weil man sich kennt, sich mag, aber nicht wirklich befreundet ist. Wie immer kommen meine Knie zur Sprache, weil es mir deswegen halt nur suboptimal geht. Ich schildere meine momentane Befindlichkeit und würze meinen Bericht mit etwas Ironie und Galgenhumor. Wenn es schon nichts Tolles zu berichten gibt, dann will ich mir wenigstens ein paar Lacher holen. Man will ja nicht die Arme, die Schwache, die Leidende sein, nicht als die mit den schmerzenden Knien, die humpelt wie eine alte Frau im Gedächtnis der Leute bleiben, nein, wirklich nicht! Jammerlappen mag man nicht, aber die die einem zum Lachen bringen – worüber auch immer.

Der Indianer, der keinen Schmerz kennt, hockt am Lagerfeuer und grinst beharrlich vor sich hin, während ich Witze reisse über mein momentanes Leiden.

Letzthin hat mich jemand gefragt, warum ich mich nicht ernst nehme. Mein Motto „Humor ist, wenn man trotzdem lacht“ ist darauf hin gefährlich eingeknickt. Plötzlich war es mir zum Heulen und das Weglachen als Verdrängungsstrategie war nicht mehr zugänglich, da soeben entlarvt. Da habe ich mir dann schon so einige Gedanken gemacht. Ja, richtig, das kann ich, Kopf einschalten, analysieren und wenn schon nicht lachen, dann ein paarmal leer schlucken und denken, denken, denken…… dann geht’s wieder.

Könnte es sein, habe ich mich gefragt, dass nicht heilen kann, was nicht ernst genommen wird? Mit zunehmendem Alter habe doch auch ich gelernt, dass es wichtig ist auf seine Gefühle zu hören und zu vertrauen. Der Bauch und das Herz sind die Hüter unserer inneren Wahrheit.

Immer öfter wird die Wichtigkeit des Baugefühls, der Intuition auch öffentlich skandiert. Jetzt, da ich mein halbes Leben lang versucht habe vernünftig und möglichst rationell zu handeln! Ich habe dem Kopf die Alleinherrschaft über mich gegeben und dies schon früh, dann, als ich begann zu verstehen, dass meine Gefühle nicht zählen. Sie sind meistens nur hinderlich, stehen im Weg, verschaffen schmerzhafte Erfahrungen der Zurückweisung und rauben Kräfte. Man will nach aussen ein Bild der Stärke von sich kolportieren und vergisst sich selber. Doch auf lange Sicht kann man sich selber nicht umgehen, denn der Verrat am eigenen inneren Kind wird es und uns nicht glücklicher machen, auch nicht erfolgreicher.

Der Schluss liegt nahe, dass wir irgendwann von uns selber oder von einem Teil von uns, sei es Körper oder Seele, zur Verantwortung gezogen werden. Denn: Gefühle lügen nicht! Sie können nicht falsch sein, auch wenn uns das Mitmenschen und die Gesellschaft weis machen wollen.

„Das ist nicht so schlimm. Das tut ja schon gar nicht mehr weh!“ So meinte auch ich meine Kinder schnell und effizient über Schmerz hinwegzutrösten. „Du musst einfach….! Du solltest…., dann geht es besser….“ So habe ich das mitbekommen und so habe ich es lange weitergegeben. Vielleicht hilft das ja kurzfristig, aber so richtig ernst genommen fühlt sich ein Kind, ein Mensch dadurch wohl nicht. Es ist abhängig von seinen Bezugspersonen und davon, dass es erkannt und wahrgenommen wird, dass es geliebt wird so und dafür wie es ist – ohne Bedingungen. Ein Kind braucht bedingungslose Liebe um sich so entfalten zu können wie es von der Schöpfungsintelligenz gedacht ist. Sie irrt sich nicht!

Um dieser Welt gewachsen zu sein und sich einen Platz darin zu erobern braucht es Selbstbewusstsein,Eigenliebe. Nur der Glaube an sich selber nährt unsere Träume und deren Verwirklichung. Ablehnung und Missachtung generieren Angst, Zweifel und Selbsthass, für ein Kleinkind den Tod.

Ja, jetzt schlucken wir mal eben hart! Und kennen wir sie nicht alle, die Missachtung und die Ablehnung. Kaum jemand ist in idealen Verhältnissen aufgewachsen und hat nicht spätestens in der Schule erfahren, was es heisst ausgegrenzt oder mal nicht beachtet zu werden. Es schmerzt – nicht wahr? 

Darum wird ein Kind immer alles dafür tun beachtet zu werden. Es ist tapfer, weil das gelobt wird oder wahnsinnig lustig, weil es damit andere unterhalten kann und dafür gemocht wird, es ist still und unauffällig, damit es nicht stört oder hilfsbedürftig, weil man sich dann um es sorgt. Manche sind besonders laut und stören, andere wirken besonders reif, weil sie so schon Verantwortung übernehmen können und helfend wichtig werden, manche sind immer auf den eigenen Vorteil bedacht, weil sie meinen sich nur so durchzusetzen oder sie wollen es allen Recht machen, damit kein Widerstand entsteht. Es gibt viele Strategien, die Kinder entwickeln um Aufmerksamkeit zu bekommen. Nicht alle werden mit Zuneigung beantwortet, wohl keine mit bedingungsloser Liebe. Trotzdem halten wir auch im Erwachsenenalter vehement daran fest.

Schon haben wir uns in diese Muster verstrickt und oft spät verstehen wir, dass wir uns nicht wirklich auf sie verlassen können. Weder das grosse JA, noch die Rebellion im NEIN sind Pole, wo der innere Schatz begraben liegt. Er liegt wohl eher irgendwo in der Mitte, da wo unser Gefühl eine Grenze zieht und wir uns abgrenzen sollten oder wo sich das Herz öffnen will ohne Angst.

Es ist nie zu spät, nicht für das innere Kind und nicht für die Kinder, die wir gezeugt haben. 

Darum habe ich den Indianer in die Wüste geschickt. Da kann er seinen Schmerz am Lagerfeuer aussitzen, solange er will.

Doch er ist hartnäckig und kommt immer mal wieder und will mit mir ein Feuerchen machen.

Das nächste Mal schicke ich ihn wieder fort, nett aber bestimmt. Es ist ein Wagnis ihn loszulassen, denn er hat mir lange gedient.

Was mir in Zukunft helfen wird? Ich?

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