Wenn unseren Kinder etwas geschieht können wir Mütter zu Furien werden. Wenn sie krank oder verletzt sind, leiden wir mit. Unser Fleisch und Blut und unsere tiefsten Gefühlsregionen stehen Qualen durch, Angst und Sorge verschleiern unsere Tage. Was wir gehegt und gepflegt, was wir in Liebe umsorgt, wofür wir sooft gebangt und so freudig erzitterten, wird bedroht, verletzt, im allerschlimmsten Fall zerstört. Die Vorstellung damit zu leben ist mir nur Grauen und ich bin heilfroh von finalem Schrecken und Horror verschont zu sein. Es fällt mir dennoch schwer die tägliche Kriegsberichterstattung zu lesen, weil sich mein Focus sofort einstellt auf Frauen und Kinder und deren Leid, das mir unglaublich und unerträglich scheint, ganz abgesehen von den Traumatas mit denen die nachfolgenden Generationen geschlagen werden. Doch auch in friedlichen Gefielden sind unsere Kinder nie sicher, denn Krankheiten und Unfälle können sie uns versehren. Darum hüten wir sie wie unsere Augäpfel und schicken ihnen unseren Beschützerinstinkt wie einen Wachhund hinterher, übersorgen sie so oft, bis sie uns genervt loswerden müssen und davonziehen um ihr eigenes Leben zu leben, eigene Entscheidungen zu treffen und leider auch Risiken einzugehen, das Abenteuer einzuatmen, auch wenn es ihre Lunge nicht fassen kann.
Momente an einem Krankenbett, die Hand halten, da sein, zärtlich über den Kopf streichen und schon ist ein junger Mann wieder mein Kind. Ich bringe ihm Spiele und Gummibärchen und mein mütterliches Sorgen. Ich tröste, ermuntere, halte die Brechschale, stütze den Rücken und verdränge , dass sich meine Därme verschlingen und sich etwas in meinem Unterleib verkrallt, da wo er sich zum erstenmal streckte und seine Beinchen in meine Bauchwand stiess, da sitzt das Phantom der Sorge und sendet sein Zittern aus. Aber ich bin tapfer, beisse lächelnd meine Zähne zusammen und mach lockere Sprüche, damit er nicht auf die Idee kommt, dass es wirklich schlimm ist ihn so leiden zu sehen. So stehe ich da an seinem Bett und bettle leise den Schmerz an von meinem Kind abzulassen, sich an mich zu halten an seiner Stelle. Doch das tut er nicht, tut er nie. Also stehe ich weiter da im Bemühen Kraft zu spenden und wenigstens meine Liebe heilend auf meines Sohnes Brust zu legen, damit die Heilkräfte sich erbarmen und ihre Arbeit tun.
Doch sie arbeiten langsam.
Und obwohl man meinen könnte, dass in der neutralen und friedlichen Schweiz die Persönlichkeitsrechte jeder Person gewahrt werden, muss ich die meines Kindes, eines erwachsenen jungen Mannes missachtet sehen. Das Gesetz alleine genügt nämlich nicht, wenn es – tragischerweise sehr nahestehende – Menschen gibt, die sich darüber hinwegsetzen, die ihre Wahrheit ihren angeblich Liebsten aufzwingen wollen, weil sie dem Grössenwahn verfallen sind, dem Glauben die Wahrheit für sich gepachtet zu haben und keine Tricks scheuen ihren vermeintlich heroischen Feldzug durch Krankenhausgänge und gegen angeblich feindliches Krankenhauspersonal zu führen. Glücklicherweise habe ich meine Kinder zu eigenständigen und selber denkenden Persönlichkeiten erzogen, die sich nicht einfach ohne nachzufragen Pillen einwerfen.
Da hat sich dann wenigstens die Zeit erbarmt und die Heilung vorangetrieben. Ich hole ihn jetzt heim und kann nun auch meine zitternden Lungenflügel wieder belüften und tief durchatmen.