Eigenliebe in der Erziehung – das Leitwolfmotiv

Ich habe mir in den letzten Tagen und Wochen wieder einmal so einiges zum Thema Erziehung einverleibt. Mit dem Ziel zu verstehen, was ein Kind, ein Mensch, braucht zum Start ins Leben und um seine weiteren Schritte sicher und stark zu erlernen. Das Glück ist dabei ein Gradmesser, die Resilienz massgebend, und das grosse Ziel, das eigene Leben zur Blüte zu bringen. Herzenblühen! Mein Thema!

Man sollte die Kinder weder autoritär, noch antiautoritär erziehen. Sie brauchen nicht Grenzen, sollten aber unsere respektieren lernen, sie brauchen Richtlinien und uns als Vorbilder. Wir sind die Leitwölfe! Nur wenn wir ihnen alles richtig vorleben, kann es klappen. Loben, wenn sie etwas wirklich gut gemacht haben ist wünschenswert, aber andauernde Lobhudelei, nur um der positiven Bestärkung willen, hinterlässt Verwirrung, im schlimmsten Falle falsche Einschätzung der eigenen Möglichkeiten, führt zu übergrossen Egos und ist im weitesten Sinne nur Egoismus der Eltern, die so ihr Gewissen beruhigen. Wir sollten die Vorbilder sein, aber nicht Werte vermitteln wollen, sondern Empathie, den Dialog pflegen und selbst Autorität ausstrahlen (so Jesper Juul, dänischer Familientherapeut). Die eigene Autorität, verstanden als gutes Gefühl für sein Selbst, Selbsterkenntnis, führt zu Respekt und gibt dem Kind die Möglichkeit seinen eigenen Selbstwert zu entwickeln.

Leuchtet vollkommen ein.

Man kann das philosophisch ganz einfach herunterbrennen: Liebe Dich selbst! Das ist die Basis um andere zu lieben. Akzeptiere Dich voll und ganz, dann kannst Du auch Mutter oder Vater sein, der sein Kind in diese Richtung fördert und unterstützt, so, wie es von der Schöpfungsintelligenz gedacht ist. Dann sind wir Leuchtturm oder Leitwolf, leben vor, wie es geht sein Leben zur Blüte zu bringen. Eben, ganz einfach!

Aber wie ist das wirklich? Stolpere ich als Erziehungsperson nicht dauernd über meine eigenen Defizite und die alten übergenerationalen Muster und Traumata, die so schwer zu löschen sind?

Im Kopf haben wir’s verstanden, doch rutscht’s bei den meisten Eltern nicht so schnell in den Bauch. Wir machen keine Therapie bevor wir Kinder kriegen um dann soweit zu sein, dass Altlasten abgelegt und alter Schmerz verwunden ist und wir rein und im klaren Bewusstsein unseres Selbst daran gehen können unsere Kinder ins Leben zu begleiten. Im Gegenteil, sehr viele von uns brauchen ein Leben lang um zu Erkenntnis zu kommen, um sich selbst wenigstens ein bisschen zu lieben, um sich nicht immer am Aussen zu orientieren und auf Anerkennung zu hoffen. All solches, das wir dann auch so gerne auf unsere Kinder projizieren, obwohl wir genau dieses doch nicht tun wollten.

Doch dann sind sie da, die süssen Kleinen, von denen wir uns auch noch so viel Liebe erhoffen und werden als Eltern mit so viel Neuem konfrontiert. Darauf wurden wir nie vorbereitet. Die Geburt eines Kindes rührt an unseren Grundfesten und wirbelt gerne unsere eigenen vergessen geglaubten Kindheitserlebnisse wieder hoch.  Doch wir haben dann keine Zeit uns damit auseinander zu setzen und keine Ruhe unser Handeln zu bedenken und vorzubereiten, uns als Leitwolf zu kreieren. Wir sind meist auf den Affekt reduziert und zu müde zur Reflexion.

Und so passiert es: Was so einfach scheint und tönt, funktioniert nicht. Wir sind überfordert und plagen uns mit unseren immensen schlechten Gewissen herum, weil wir es nicht schaffen Leuchttürme und Leitwölfe zu sein, weil uns das Kind zu viel abverlangt und wir wissen, dass wir ihm in unserem gestressten Zustand nicht die Liebe, Akzeptanz und Empathie geben können, die es bräuchte. Wir mühen uns ab, Erwartungen zu erfüllen, eigene und solche von aussen, mit denen wir schon so lange kämpfen und die wir dann auch zu gerne auf unsere Kinder übertragen. Wir hadern, weil das Mutter- oder Vatersein die Leere in uns nicht zu füllen vermag, weil die Liebe zum und vom Kind nicht unsere Unzufriedenheit erlöst. Diese Liebe ist nicht selbstlos und gütig, nein, sie fordert.

So drehen wir uns im Hamsterrad, wohl wissend, dass es anders sein sollte, anders geht, verzweifelt im Bewusstsein um den Schaden, den wir zufügen, weitergeben an die nächste Generation, obwohl wir es doch besser wüssten.

Was in der Grundphilosophie so einfach und überzeugend tönt, stellt sich als die grösste Herausforderung der Menschheit heraus. Hätten wir den Dreh raus, wüssten, wer wir sind, das Selbstbewusstsein stark,  all die grossen und kleinen Traumata überwunden, wären uns selbst und allen anderen Menschen in Liebe verbunden und die Gier nach Anerkennung, Neid und Eifersucht getilgt, dann könnten wir unseren Kindern wirklich Vorbild sein. Wir würden es dann richtig machen und die Welt wäre ein besserer Ort. Zukunftsmusik und Heile-Welt-Fantasie?

Trotzdem sollten wir nicht aufhören uns darum zu bemühen. Gleichzeitig müssen wir uns wohl eingestehen dass wir Fehler machen. Meiner Meinung nach, dürfen wir uns diese sogar zugestehen, wenn wir gewillt sind, daraus zu lernen. Da kommt auch der Dialog wieder ins Spiel. Solange wir bereit sind im Dialog mit unseren Kindern zu bleiben und es schaffen, unser Handeln immer wieder mal zu überdenken, ist auch die Möglichkeit der Begegnung da. Auch der Leitwolf darf Fehler machen, sie einsehen, entschuldigt sich gern dafür und macht es das nächste Mal besser.

Schliesslich liebt er ja seine Kinder – wie sich selbst!