Zwei Tage sind es schon wieder her, dass ich meine Tochter auf den Morgenzug gebracht habe. Es war früh morgens und wir beide noch ziemlich müde und nicht ganz da. Ich habe ihr ein Gipfeli gekauft, weil das obligate Schoggijoghurt im Kühlschrank fehlte. Sogar gegen den gesunden Grüntee konnte sie an diesem Morgen keine Abwehrkräfte aufbringen. „Ja, scho guet!“ Dann ist sie mit ihren Taschen, die sie sich diagonal umgehängt hat, davongezottelt in diesem „nach den Ferien“-Gefühl um ihre Arbeit nach vier Tagen Osterauszeit wieder aufzunehmen. Sie hatte keine Lust an diesem Morgen und wäre am liebsten wieder mit mir nach Hause gekommen, und ich hätte sie gerne wieder mitgenommen. Ich kenne doch dieses Gefühl nur allzu gut.
Meine Strategie um es auszuhalten ist die, mir für den kommenden Abend irgendeine Belohnung zurechtzuzimmern. Ich denke mir ein tolles Menu aus oder nehme mir vor einen schönen Film zu schauen und mir vorher noch einen Cüpliapéro zu genehmigen. Manchmal nötige ich auch meinen Mann zu einer Unternehmung, die mich dann glücklich machen soll. Dies nur um mir diesen schrecklichen Tag, diesen Tag nach den Ferien, irgendwie schmackhaft zu machen. Ich meine ihm durch diesen krönenden Abschluss doch noch einen positiven Status zu verleihen, sodass es für mich erträglich wird, sich noch ein wenig wie Ferien anfühlt.
Eigentlich sollte ja jeder Tag so gelebt werden, als ob es ein Ferien- oder Feiertag wäre, -allenfalls der letzte….
……und so sinnierte ich noch vor mich hin, während Annina im Bahnhofsuntergrund verschwand und dann auf dem Perron 2 wieder auftauchte. Ich winkte Ihr ein letztes Mal zu. Dann drehte ich mich um, straffte meine Schultern und steuerte auf mein Auto zu um damit in diesen Dienstag zu fahren und ihm noch einen Sinn abzutrotzen.
Ich bin nun wieder für zwei Wochen als Mutter nicht mehr im Einsatz und kann meinen anderen Projekten nachgehen. Annina konnte ich getrost ziehen lassen, denn eigentlich geht sie mehrheitlich gerne zur Arbeit, freut sich auf ihre Kollegen und wohnt gerne auf ihrer Wohngruppe. Diesen kleinen Anteil Sentimentalität oder Wehmut hat sie wohl von mir geerbt. Doch ist er bei ihr auch meistens sehr schnell wieder verflogen.
Wenn ich abends besorgt anrufe um zu fragen, wie es ihr geht ist sie meistens fröhlich und kann sich nicht mehr an morgendliche Schwere erinnern.
Bei mir hält es dieses Mal ein wenig länger an. Manchmal vermisse ich meine Tochter, meine Kinder und das Muttersein.