Es allen recht machen – ein alter Zopf!

Kennt Ihr dieses perfide Ansinnen, das uns immer wieder in die unmöglichsten Gefühlsverwirrungen und Aengste stürzen kann? Wisst Ihr, wie es sich anfühlt, wenn man versucht, es allen recht zu machen?

Das fühlt sich bestimmt mies an, würde der geneigte Leser entgegnen, raubt Dir viel Energie und ist für die Füchse – meistens jedenfalls! Du machst es allen recht – nur Dir nicht! Eigentlich wissen wir das. Dankbarkeit oder gar Zuneigung ist auf diesem Weg wenig zu kriegen, eher noch Häme, da ich es ja nicht für jeden passend richten kann, wenn ich versuche alle zu bedienen. Im Endeffekt ist niemand ganz zufrieden.

Schon bin ich mitten im Thema!

Wer kennt es nicht, dieses Dilemma? Welche Mutter – vor allem – schlägt sich nicht damit herum? Welches Frauenmuster handelt nicht davon? Wie kommt’s?

Nun, Frau wurde geboren um zu gebären. Ja, lange Zeit war das so und sie hörte oft erst damit auf, wenn sie daran starb. Frau hatte kein Recht auf eigenen Besitz, kein Recht auf eine eigene Stimme und somit auch kein Recht auf ein eigenes Ich. Sie war dazu bestimmt, die Familie zu nähren und zu bedienen und das Haus in Ordnung zu halten, mit den Mitteln natürlich, die ihr Mann zur Verfügung stellte. Machte sie es gut, dann waren alle zufrieden und das Leben einfacher. Armut und Tod zerrten in vielen Häusern schon genug am Leben, da hatte frau keine Kraft um aufzubegehren. Der tägliche Kampf ums Überleben forderte in allen Lebensbereichen, Familie und Beziehung zwangen in die Hingabe. Tat die Frau nicht, wie es sich gehörte, drohte Strafe – vom Mann und von der obersten Instanz, der Kirche.

Das ist ein uralter Zopf? In dieser – uns heute überspitzt anmutenden Form – ja. Aber, vergessen wir nicht, dass noch unsere Grossmutter diesen Zwängen unterlag. Und liebten wir sie nicht für ihre fürsorgliche Art? Ab und an nervte sie dann, wenn sie versuchte die Familie zusammenzubringen und von jedem verlangte sich zu beherrschen zum Wohle der Allgemeinheit und des kommenden Kirchenfestes. Unsere Eltern durchschauten das Spiel, die falsche Harmonie und Eintracht unterm Weihnachtsbaum und machten dennoch mit. Wir Kinder waren froh darüber, liebten die Familienfeste und hofften, dass die schräge Tante nicht eine ihrer entlarvenden Bemerkungen fallen liess und diese schöne Stimmung in Schieflage brachte.

Aber jetzt seien wir ja gross, denkt sicher so mancher beim Lesen, und nun können wir selber wählen, einstehen für unsere Bedürfnisse, unsere Träume verfolgen, uns nicht mehr alles gefallen lassen und schliesslich muss uns ja auch nicht jeder lieben, sondern wir uns selbst. So sind wir unseren Kindern ein Vorbild und helfen ihnen dabei – sei es Mädchen oder Junge – dass man es zuerst sich selber Recht machen muss, dann kann man auch andere in ihren Anliegen respektieren und mit ihren Fehlern akzeptieren. Mit Leichtigkeit schweben wir durchs leben, kümmern uns mehrheitlich um eigene Angelegenheiten und weniger darum, was alle glücklich macht und schaffen uns und auch den Anderen Freiräume. Wir geben das Kümmern um das andere Wohl ab. Wir geben es demjenigen, dem es gehört und entlasten uns und die anderen.

Einfach, nicht war?

Trotzdem fällt es uns immer wieder schwer. Auch den Männern und Vätern? Aha, man will nicht anecken. Möchte geliebt werden. Will niemanden vor den Kopf stossen. Man sollte diplomatisch sein? Angst abgewiesen zu werden, ausgestossen?

Dies sind Urängste und haben direkt mit den Mustern zu tun, die uns von Generation zu Generation übertragen werden ohne dass wir uns dessen wirklich bewusst sind. Es sind Muster, die in unserer Welt oft keinen Sinn mehr haben, die wir aber – sozusagen im Affekt – weiter geben an unsere Kinder und Kindeskinder. Denn ursprünglich hatten sie sehr wohl einen Sinn, sollten uns schützen vor der Ausgrenzung der Sippe, die uns eben den oft lebenserhaltenden Schutz gewährleistete. Dafür musste Mensch sich seiner Sippe und deren Regeln anpassen. Selbiges kann man übrigens auch im Tierreich beobachten.

Heute leben wir in einer individualisierten Welt. Das Ich-Bewusstsein und die Entfaltung des Eigenen sind im Fokus. Eigeninitiative, Kreativität, Selbständigkeit, Selbstwirksamkeit und Eigenverantwortlichkeit,  sowie die altbekannte Freiheit sind unsere Anliegen, weil wichtige Zutaten eines glücklichen Lebens. In diesem Sinne möchten wir unsere Nachkommen erziehen. Dies ist nicht möglich, wenn wir weiterhin alle möglichen Ansprüche zu bedienen versuchen, die von aussen kommen oder aus einem Innern, das von unseren Ahnen dominiert wird.

Dafür brauchen wir Reflexion um zu erkennen, welchen alten Mustern wir immer noch auf den Leim gehen und Mut sie zu unterbrechen und möglicherweise damit den Widerstand unserer Umwelt zu evozieren. Es wird immer Menschen geben, die uns nicht mögen. Wir können sie so stehen lassen und es aushalten – weil wir gelernt haben uns selbst zu lieben. Und so werden es unsere Kinder von uns übernehmen und weitergeben.

„Tue recht und scheue niemand“ So steht es auf manchem alten Türsturz. Vielleicht sollte man nur ein kleines Wort ergänzen: „Tue Dir recht und scheue niemand“

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