Ferien ohne Programm

Ferien in Elba. Wir sind an einem Traumort, unser Haus steht alleine auf einer Klippe, rundum Fels, Büsche, wilde Ziegen, Hasen, Steineulen, Spatzen und Pinien, Steineichen, Wildnis und direkt unter uns Wasser und Weite. Wir klettern über Gesteinsformationen hinunter ans Meer. Menschen sehen wir nur von weitem. Sie sitzen auf den Booten, die diese Südspitze der Insel kreuzen. Es ist magisch da und ich bin glücklich, entspannt, freue mich auf eine Woche Erholung.

Doch meine Tochter ist komisch drauf. Ist es ihr zu ruhig? Zu wenig Programm? Das ist gut möglich und lässt mich erneut an Grenzen stossen. Meine Bedürfnisse decken sich ganz offensichtlich nicht mit ihren. Das ist ja nicht weiter verwunderlich, da sie erwachsen und in der Ablösung ist und ich schon ziemlich mittelalterlich. Ich sehne mich nach Ruhe und sie würde wohl gerne mit Freunden abhängen, am Strand liegen und Musik hören, herumalbern und zusammen schwimmen gehen. Und wieder ist da diese Beeinträchtigung, leider unübersehbar und begrenzend: Sie kann nicht ganz alleine mit Kollegen in die Ferien fahren, nicht aus eigener Initiative, nicht unbegleitet. Sie hat auch nicht einen solchen Freundeskreis, nicht einen Haufen Normalosfreunde, wie sie das gerne hätte.

Sie hat schon Freunde – mit einer Beeinträchtigung. Und sie hat die Möglichkeit an Lagern teilzunehmen, was sie auch tut. – Es ist, wie es ist!

Jetzt, in dieser Woche ist sie mit mir in den Ferien und wir haben kurzfristig Meerferien gebucht, weil sie sich das gewünscht hat. Wir haben aber auch Ferien gebucht, die uns wohl tun.

Müsste ich ihr ein Programm zusammenstellen, wenn ich mit ihr in die Ferien fahre, Unternehmungen planen, die ihr als Jugendliche gefallen? Das wäre wohl möglich. So, wie ihr Vater mit ihr in den Europapark fährt. Doch beim Gedanken an Schwimmerlebnisse im Alpamare und Achterbahnfahrten in riesigen Vergnügungsparks stellen sich mir die Nackenhaare. Müsste ich mich überwinden – meiner Tochter zuliebe?

Manchmal fragt sie mich vor einem gemeinsamen Wochenende, wie unser Programm aussieht, und ich antworte immer, dass wir keines haben, spontan entscheiden und tun, worauf wir dann gerade Lust haben. Es ist mir klar, dass sie gerne einen Anhaltspunkt hätte, etwas worauf sie sich freuen kann, doch ich will nicht mehr so viele Pläne machen müssen, jetzt wo ich endlich spontan leben kann. Trotzdem: Manchmal gehen wir Bowling oder Minigolf spielen oder im Restaurant essen oder mein Mann hat Tickets für ein Konzert besorgt oder fürs Kino. Meine Tochter ist immer und gerne dabei. Aber sie konnte sich vielleicht nicht schon eine Woche lang darauf freuen. Manchmal schon, manchmal sind wir eben wie gesagt, spontan und manchmal kommt es tatsächlich vor, dass wir einfach nichts tun und sich jeder für sich beschäftigt.

Irgendwann habe ich mal gelesen, dass Kinder lernen sollten, sich auch mit sich selber zu beschäftigen und allenfalls auch Langeweile aushalten dürfen. Das gilt doch auch für Jugendliche und das könnte auch auf die speziellen zutreffen, wenn man sie denn für voll nehmen will und es ihnen zutraut auch mal selber für die eigene Unterhaltung zu sorgen.

Den Animateur zu spielen liegt mir nicht und Freizeit und Ferien sind für uns alle.

Die Ferien waren wunderbar und ich wäre gerne noch länger geblieben, auch wenn sie nicht alle Bedürfnisse meiner Tochter abgedeckt haben. Darum ist sie dann fürs Wochenende und den ersten August schon auf dem Heimweg ganz schnell zu Papi abgebogen, weil der, wie immer, schon ein Programm vorbereitet hatte.

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