Gewandelt und gereinigt

Manchmal gibt mir die Nacht ein Zeichen und schickt mir eine neue Geschichte, eine, in der ich stark bin, selbstbewusst Nein sagen kann, meine Grenzen verteidige und mich danach nicht fürchte. Dann ist diese bodenlose Verlustangst weg und ich weiss, ich brauche nur mich zum Überleben und zum Lieben – mich, aber ganz! Ich muss weder heilig sein, noch perfekt, weder erfolgreich, noch wahnsinnig anschmiegsam, nicht lustig, verständnisvoll, hilfsbereit, kreativ, gesund, sportlich, hübsch, schlank, vernünftig – nur ich. Das reicht! Für einen Moment spüre ich die Erleichterung, ja Leichtigkeit!

Leider sind solche Träume eher selten.

Doch zum Glück lebe ich in einer Landschaft, nah am Wald, die mich nach schweren Nächten aufnimmt, schon morgens wenn ich aus meinem Schlafzimmerfenster blicke und später, wenn ich mit meinem Hund unterwegs bin. Ich streife durch die Wiesen und den dunklen kühlen Wald, sehe Felder, Bäume, verrottete Baumstrünke, Fuchshöhlen und grüne Moosgeflechte und denke mir Geschichten aus, vom Wolf, der mir in angemessener Entfernung folgt, der Fuchsfamilie, die aus ihrem Bau lugt, von Rehen, die durchs Unterholz springen, und mein inneres Kind baut Zwergen- und Feenbehausungen unter mächtigen Tannenwurzeln. Stille liegt in der Landschaft um mich und manchmal kann sie in mich eindringen und bleibt.

Meine Gedanken beruhigen sich. Die Erinnerung an schlechte Träume verflüchtigen sich im Nebel, der noch leichtfüssig über den feuchten Moosboden wabert. Wenn ich zuhause ankomme fühle ich mich heil, gewandelt und gereinigt.

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