Herzenblühen im Wandel – alles hat seine Zeit

Herzenblühen denkt nach über das Leben und ab und an zeigt sich – welch ein Glück – eine Erkenntnis, bietet sich ein kleiner Einblick ins grosse Ganze und wir können uns für einen Moment zurücklehnen, ein wenig entspannen in diesem erleichternden „Aha, so ist das wohl gemeint“.

Der Wandel führt uns, die wir das Gute und Schöne festhalten wollen – manchmal haften wir uns sogar an das Kaputte, Krankmachende an, mangels besserer Optionen – immer wieder zu der einen Konklusion: Nichts ist sicher, nichts für ewig, und es gibt keine Sicherheit. Obwohl wir gerade nach dieser Sicherheit ein Leben lang trachten, sie uns zu erarbeiten suchen und ständig nach ihr greifen – ein Griff ins Lehre. Die Vermeintlichkeit ist die einzige Konstante, die in diesem Hamsterrad Erleichterung schafft.

Nun schaue ich gerne in die Natur und lasse mich von ihr lehren. Gerade geht um mich herum ein gewaltiger Wechsel von sich: Es ist Herbst. Noch letzte Woche, im Süden Frankreich, hab ich Sommer gelebt, seit ein paar Tagen zuhause, zwingen mich die kühlen Temperaturen in wärmere Kleider und ins Haus. Dies macht mich nicht etwa unzufrieden – im Gegenteil – endlich wird meine eigene Wechselhitze ein wenig heruntergekühlt und ich kann mich wieder in meiner Höhle einkuscheln und es mir da so richtig gemütlich machen.

Jede Jahreszeit hat ihr Gutes und Schönes. Wenn ich über das Land schaue, sehe ich frühmorgens Nebel durch die nasskalten Wiesen und durch das schon merklich gelichtete Blattwerk von Baum und Busch wabern. Der weissgraue Nebel erhellt das Dunkel, das sich immer langsamer zurückziehen will um dem Tag einen Platz für das Licht zu schenken. Die ersten Strahlen Sonne erwecken all die Farben, die Feld, Wald und Wiese in einem letzten Aufbäumen ihrer Fruchtbarkeit nach Aussen stülpen um eine bleibende Erinnerung an ihre Schönheit zu hinterlassen, eine Erinnerung, die das Sterben und Verrotten, den Winter und sein Dunkel überdauern soll.

Ich liebe auch den Winter, gerade weil das Dunkel, die gedämpften Töne, uns zur Einkehr führen und in diese stillen Kammern, wo wir unsere eigene Stimme hören können und unser Selbst finden. An diesen Orten keimt der Same unseres Herzenblühens und es bildet sich die Energie für unseren nächsten Frühling und Sommer.

Aus dem Abgestorbenen entsteht der neue Humus für die kommende Blüte.

Und so geht es fort und fort und die Zeiten wechseln sich ab und jedes Ding hat seine Zeit. Kinder werden geboren, gehegt, gepflegt und treten schliesslich ins Leben hinaus wohin wir sie dann gehen lassen, traurig zwar über die nun vergangene Zeit, aber auch selig darüber, dass wieder und wieder etwas Neues beginnen kann und unser Same auch in ihnen weiterleben wird.

Die Wehmut, die mich im September erfasst, wenn die zarten melancholischen Töne mein Land verzaubern, ist auch eine Verneigung vor dem Glück, das ich erfahren durfte, ja und zugegebenermassen auch Trauer darüber, dass ich nicht all mein Glück, das ich hatte, in vollem Ausmass gekostet und genossen habe, weil ich es nicht immer wahrgenommen habe – welche Mutter kennt das nicht. Erst im Nachhinein, da möchte man so gerne nochmals…… Doch nichts ist wiederholbar. Gelebtes Leben, es lässt uns nur die Erinnerung und die Möglichkeit neue zu schaffen, jeden Tag aufs neue anzunehmen als einzigartigen Teil des Ganzen Zyklus.

Der ewige Fluss schwemmt uns mit, ob wir uns dagegen stemmen oder genüsslich mitschwimmen. Also, warum sich wehren? Ich übergebe mich dem unvermeidlichen Wechselgewässer und versuche anzunehmen, was dazugehört und nicht unterzugehen: Loslassen, Angst davor, Glück und daran anhaften, Trauer und Verdrängungsmechanismen, Wut, Verzweiflung, manche Einsicht, Liebe, immer wieder Versuchen, Verbessern und irgendwann stellt sich vielleicht der Frieden ein mit der Einsicht, dass ich in diesem Fluss nicht untergehe – noch nicht jetzt!

Der nächste Frühling kommt bestimmt und damit das nächste Blühen – Herzenblühen! Alles zu seiner Zeit!

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