Ich mag es lieber spontan

Das nächste Wochenende, das sie bei mir verbringen wird, das werde ich planen – minutiös. Ich will es geniessen und ihr ganz gerecht werden, sodass sie sich freut auf mich und auf die Zeit mit mir.
Solches nehme ich mir immer wieder einmal vor. Und ich bin wohl nicht alleine damit, denn alle Geschiedenen, die sich die Betreuung ihrer Kinder teilen, wollen die Zeit mit ihren Kindern geniessen und intensiv nutzen. Natürlich fährt dieser Anspruch eher die Bemühungen gegen die Wand als dass daraus wirklich viel Schönes entstehen kann.
Meine Tochter zum Beispiel möchte viel Zeit in ihrem Zimmer verbringen, endlich Zeit haben um ihre Youtube-Musik nachzusingen, Raum zum Träumen. Sie freut sich immer auf die Wochenenden bei mir, aber das Letzte hat sie mehrheitlich ohne mich verbracht. Sie ging mit einem Freund baden und abends in die Disco und den Sonntag hat sie in ihrem Zimmer verbracht. Sie ist 21 und das ist wohl ganz normal, auch für eine so spezielle Person wie meine Tochter.
Trotzdem fragte ich sie mehrmals ob sie nicht mit mir in den Garten kommen will und einen der letzten schönen Sonnentage geniessen möchte, ob wir baden gehen sollen oder mit dem Hund spazieren. „Kei Luscht, Mami!“
In dem Moment war es ok für mich. Ich widmete mich meinem Buch, verschaukelte Zeit in der Hängematte und genoss den Tag für mich. Doch das fiese Muttergewissen liess mir keine Ruhe. Also ging ich nochmals zu ihr ins abgedunkelte Zimmer und versuchte sie zu überzeugen von der Sonne die so schön scheint und der Wärme und der Qualität diesen Tag draussen zu geniessen. „Kei Luscht, Mami!“
Als ich sie am Montag zur Arbeit brachte, fragte sie mich nach dem Programm des nächsten Wochenendes, das sie bei mir verbringen wird. Ich hatte und habe keines! Am Wochenende, da haben wir es gerne spontan.
Ich weiss, dass meine Tochter gerne weiss, was sie erwartet, und sie hat gerne eine Unternehmung im Fokus, auf die sie sich freuen kann. Bei ihrem Vater wird sie diesbezüglich bestens bedient. Mehrnoch kann er jede noch so unbedeutende Sache wie Einkaufen als tollen Event verkaufen.
Ich nicht!
So schlage ich mich weiter mit Ansprüchen herum, von denen ich nicht einmal weiss, woher sie kommen.
Oder doch?
Aber das wird mir auch mal wieder zu streng und ich lass mir dann die Leine lockerer. Ich bleibe lieber weiterhin, wie ich bin, spontan! Wir gehen dann alle zusammen spontan ins Restaurant, was sie liebt oder an ein Konzert, was sie auch liebt oder zum Minigolf, das gefällt ihr auch oder sie bleibt in ihrem Zimmer und singt einen ganzen Tag lang im Dunkeln, wenn draussen die Sonne scheint, was sie offenbar auch liebt.
Meine sonstigen Ansprüche erfüllt ja schon der andere Elternteil und wir machen, worauf wir gerade Lust haben. Ist doch super!
Oder?

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