Meine Emotionen gehören zu mir

Wenn es so heiss ist, dann kocht mein Gehirn, die Denkzentrale dampft und die Gedanken geraten manchmal leicht durcheinander und so auch die Gefühle. Ich wälze mich nachts wieder in meinen Laken und leide tagsüber an massivem Schlafmanko. Zu wenig Schlaf verändert die Sicht auf die Dinge und die Welt, gibt ihnen eine dünklere Einfärbung. Zumindest bei mir ist das so. Ich werde sentimental und das im blühendsten Hochsommer, den ich sehr liebe.
Dann genügt ein Anruf meiner Tochter, der es vielleicht ähnlich wie mir geht und die mir ins Telefon heult, weil sie in der Hitze erkältet ist oder weil sie Liebeskummer hat oder doch nicht, aber einfach so gerade nicht gut drauf ist. Ich bin einige Kilometer und eine Seebreite von ihr entfernt, kann nicht schnell hingehen und sie in die Arme nehmen. Das ist vorbei.
Sind meine Kinder in einem Tief, bräuchten Trost und Zuspruch, bin ich nicht mehr da. Vielleicht wollen sie mich in diesem Moment auch gar nicht mehr da haben, weil jetzt jemand anders, zum Beispiel die Freundin diese Stelle eingenommen hat. Sie sind alle erwachsen und wollen auf eigenen Beinen stehen, wohl auch, wenn es ihnen gerade nicht gut geht. Ich kann das gut verstehen. So muss es sein, aber der Impuls aufzuspringen und etwas unternehmen zu wollen, dass es meinem Kind wieder gut geht, ist immer noch da. Vielleicht bringe ich den auch gar nicht weg und das liegt wohl in der Natur des Mutterseins, dass wir uns immer sorgen um unseren Nachwuchs.
Nun, da ich so einige Verantwortung für Annina abgeben konnte an eine Berufsbeiständin, sollte ich jetzt in Erleichterung schwimmen. Aber weit gefehlt! Ich frage mich jetzt, ob sie denn auch die Zeit hat sich in genügendem Masse meiner Tochter zu widmen. Ich frage mich immer noch ob der Stellenwechsel für Annina das Richtige ist und wenn sie weint, weil sie in einer Sache irgendwie ansteht, dann schneidet’s mir ins Herz, obwohl ich weiss, dass diese Momente von kurzer Dauer sind und Fröhlichkeit einkehrt sobald eine Lösung gefunden wird, was oft nicht wirklich schwierig ist. Und ich bin nicht dabei. Andere tun es für mich, helfen und unterstützen sie.
Der mütterliche Beschützerinstinkt pufft ins Leere und löst in mir eine hilflose Trauer aus, die ich nicht ganz verstehe. Meist nenne ich sie Sentimentalität. Man könnte sie auch als Loslasswehen sehen, eine zweite Geburt sozusagen, sicher ein einschneidender Abschnitt im Leben einer Mutter und ihrer Kinder.
Nun wissen wir alle, dass es im Leben immer wieder Abschnitte, Phasen gibt, die uns einiges abverlangen, sei es an körperlichem Einsatz oder auch an seelischen Stürmen. Wir können lange darüber nachsinnen, wie wir sie am besten bewältigen, wo unsere Ressourcen sind, damit es uns nicht allzu schwer fällt. Trotzdem gehören sie dazu. Es hat keinen Sinn zu glauben sie seien aus der Welt zu schaffen, sobald wir den richtigen Kniff gefunden haben oder wir würden nicht damit konfrontiert, hätten wir nur all diese Fehler nicht gemacht.
Wir machen sowieso all diese Fehler, von denen wir lernen und an denen wir wachsen dürfen und genauso ist es mit diesen Lebensabschnitten. Ich betrachte es als sinnvoll Schwieriges willkommen zu heissen, weil es meistens sowieso kommen will. Den Kopf in den Sand zu stecken ist dagegen ziemlich blöd. Wir müssen nun mal da durch, durch Trauer, durch Aerger, durch Angst und auch durch Verzweiflung und Abschiedsschmerz. Manchmal ist die ganze Misere selbstgeschaffen, manchmal wurden wir von aussen überrollt. Aber solange wir uns selber spüren und uns auf uns verlassen können, werden wir Wege hinaus finden.

Ich vermisse meine Kinder oft und ich würde dann am liebsten zu ihnen fahren und sie in die Arme schliessen. Aber ich lerne gerade – und es tut mir auch weh – dass sie das nicht immer wollen. Also warte ich und bin da, falls sie mich brauchen. Mit meinen Emotionen muss ich selber fertig werden. …… ich kann das, denn sie gehören zu mir und meinem Leben!