Meine Tochter hat ein Down Syndrom, eine Trisomie 21. In ein paar Tagen wird sie zwanzig. Nach dem neuen Erwachsenenschutzgesetz hat sie die gleichen Rechte wie ein Normalo.
Ich könnte mich schon an dieser Stelle im Wirrwarr dieser Begrifflichkeiten verlieren. Ist Annina behindert? Oder nenne ich das handicapiert? Oder wird man ihr mit einer „Einschränkung“ eher gerecht.
Und wir? Sind wir normal? Wer ist normal, wer nicht? Was ist einschränkend, behindernd? Schon schlittere ich übers philosophische Glatteis.
Ich habe mich mit meiner Tochter darauf geeinigt, dass sie speziell ist. Denn sie will nichts mit diesem „Behindertenzeugs“ zu tun haben, sondern wie alle anderen sein, eben speziell….. und erwachsen. Sie will selber entscheiden und wie so viele junge Erwachsene oder erwachsene Junge pocht sie vehement auf ihre Rechte und vergisst gerne die damit verbundenen Pflichten. Das gibt „Lämpen“ am Arbeitsplatz und auf der Wohngruppe.
Jetzt komme ich ins Spiel. Am liebsten verliesse ich mich in olchen Situationen auf die Kraft der Jugend und darauf dass sie ein Einsehen hat und nach erfahrenen Konsequenzen klüger wird, darauf dass sie am Leben lernen wird und ich ihr dabei nicht alles vorsagen und vorschreiben muss. Das klappt bei meinen Jungs ganz gut.
Meine Tochter braucht Begleitung. Das ist nicht immer einfach. Wo nehme ich Einfluss? Wo greife ich entscheidend ein? Immer übe ich dabei Macht aus. Wieweit mir dies gestattet ist, regelt das Gesetzt, inwiefern ich moralische Schranken überschreite oder ihr Recht auf Selbstbestimmung respektiere oder untergrabe, das unterliegt oft meiner persönlichen Ueberprüfung und Entscheidung. Wann treibe ich sie weiter an, sich anzustrengen, sich anzupassen, sich einzubringen? Wir müssen das ja alle in irgendeiner Form! Welchen Freiraum lasse ich ihr um sich selber sein zu können, eigene Entscheidungen zu treffen, sich auch verweigern zu können? Wie kann ich wissen was wann angebracht ist, was auch sein darf, wenn es daneben ist? Ich habe noch keine schlüssige Antwort gefunden. Nur die, dass ein spezieller Mensch wohl eine Begleitung braucht um sich im Leben der Normalos zurechtzufinden, sich einigermassen einzugliedern und darin auch noch ein würdiges Leben zu leben. Welche Fäden die Begleitung dabei zieht, hängt immer auch von deren psychologischen Programm ab. Darum treffe ich die wichtigsten Entscheidung für oder mit meiner Tochter, da weiss ich wenigstens mit wem ich es zu tun habe.