Ich bin noch immer rekonvaleszent. Mein neues Knie will Zeit. Mein Körper, der zu wenig Schlaf bekommt will Ruhe. Mein Schaffensdrang prallt ab an dieser Front und der Zweifel bekommt ein offenes Feld und Nahrung in diesen Zeiten der Schwäche. Ich frage mich dann ob meine Träume zu gross, meine Ziele zu hoch gesteckt sind. Bin ich zu wenig gut dafür, darf ich mir solches anmassen? Habe ich genug Energie, Kraft? Soll ich mich begnügen, bescheiden?
Nun gilt Bescheidenheit ja als eine Tugend und gerne und häufig wird sie dem Weiblichen zugeordnet. Über Jahrhunderte war sie Attribut ja Zier einer christlichen wohlgefälligen Frau. Viel Glück hat uns das nicht gebracht, wenig Erfolg und kaum Sterne. Kein Wunder!Dazu braucht es wohl den Mut unbescheiden zu sein und nach ihnen zu greifen.
Doch wir wissen alle, wie peinlich wir oft aufeinander reagieren, kaum wagt eine von uns sich öffentlich hervor zu tun, sich gut zu verkaufen und ihre Werte zu preisen. Verachtungsvoll wenden wir uns gerne ab um – meist unbewusst – unseren Neid zu nähren und dabei unsere Schwester auszugrenzen, die es gewagt hat so unbescheiden zu sein, sich selber zu mögen und ihre Qualitäten als genügend, ja sogar gut einzuschätzen um eben nach diesen Sternen zu greifen, die für uns so hoch hängen. Wie vermessen gar, wenn sie nicht perfekt ist, wenn sie auch mit ihren Fehlern und Niederlagen spielerisch und humorvoll umgeht! Ein wirklich gefundenes Fressen für alle Neider.
Auch ich mag mich erinnern, dass ich schon mal selbstbewusst behauptet habe etwas wirklich gut zu können. War zustimmendes Schulterklopfen die Folge oder gar weiteres Anfeuern? Die Reaktionen reichten eher von peinlich berührtem Schweigen bis zu versucht belustigten Sprüchen zu meiner Anmassung.
Wie konnte ich wagen, was sich sonst keine traut!
Natürlich wollte ich mit meiner Aussage niemanden kränken oder heruntersetzen oder mich gar über andere erheben. Keineswegs. Eher wollte ich mich damit selber bestärken, vielleicht auch meine eigene Unsicherheit kaschieren, ja gar aushebeln. Und irgendwie hatte ich auf Zustimmung und Bestärkung gehofft.
Doch bei solchen Aktionen ist selten mit Unterstützung zu rechnen und auch meine eigene blieb ich mir dann künftig schuldig. Frau will sich doch nicht unbeliebt machen.
Doch wie soll denn bitte unser Selbstbewusstsein wachsen? Wie sollen wir uns ausprobieren können, Fehler machen ohne deswegen zusammenzubrechen, ein Ziel verfolgen, dessen Erreichen noch nicht garantiert ist, wenn wir immer noch dazu angehalten werden möglichst bescheiden zu sein und jedes Abweichen von dieser Norm sofort mit Ablehnung geahndet wird, gerade von unseresgleichen??? Ich habe keine Ahnung!
Es soll vorkommen, dass sogar Mütter zuweilen eifersüchtig auf die Errungenschaften, Talente und Vorteile ihrer eigenen Töchter reagieren. Sie sollen klein bleiben, wo sie selber nicht gross werden konnten.
Wer wird es ein zweites Mal wagen selbstbewusst seine Vorzüge zu nennen, wenn er dafür nur Spott und Häme erntet? Wohl nur die ganz Abgebrühten und Selbstsicheren. Die müssen auf diesem Gebiet aber auch nichts mehr lernen.
Wenn wir es wagen unseren neidvoll gesenkten Blick zu heben um unsere erfolgreichen Schwestern, die uns allzu selbstbewusst herüberkommen, einen Moment nur, unvoreingenommen und interessiert zu beobachten, kann uns klar werden, dass sie es wohl nicht ganz so falsch machen mit ihren Ansprüchen an die Welt und ihren Glauben an sich selber. Zudem wissen wir ja, was Neid bedeutet: Wir ertragen es nicht, dass jemand sich erschliesst, was auch in uns angelegt ist. Neid ist ein gutes Indiz dafür, dass da Handlungsbedarf besteht.
Und dann schielen wir doch mal zu den Männern. Die meisten sind schon „genetisch“ unbescheiden.
Die Frage bleibt, wann es endlich in unsere Köpfe dringt, dass wir auch gut sein dürfen ohne uns dafür zu schämen, dass wir es sogar sagen dürfen ohne zum Affront für den Freundinnenkreis zu werden und dass wir uns auch nicht ständig beweisen müssen, dass es stimmt.
Aber! Auch Frauen, die ihren Wert kennen, brauchen Unterstützung! Lassen wir uns nicht hängen, sondern greifen wir gemeinsam nach den Sternen. Vielleicht hängen sie gar nicht so hoch.