Wow, schon Oktober!
Es erschreckt mich gerade, wie schnell die Sommerzeit vergangen und schon der Herbst wieder einkehrt. Das Gefühl irgendwo in diesen Monaten Zeit verloren zu haben beschleicht mich in den letzten Wochen des öfteren. Ich bin müde, irgendwie ausgepowert und frage mich wovon überhaupt und gebe mir damit doch schon selbst eine Antwort. Das Wissen darum, was ich in der letzten Zeit geleistet habe, ist mir, wie schon so oft, abhanden gekommen. Ach, eigentlich war es ja wieder nicht so bedeutend, wie ich es mir gewünscht hätte und der grosse Anerkennungspokal von Aussen ist ausgeblieben. Schlimmer noch, ich hab mir selber auch keinen Preis verliehen und somit blieb jegliche Belobigung für eine doch beachtliche Zahl toller Texte, die ich geschrieben habe, meine Einsätze als Beraterin, als sehr flexible Dozentin und Assistentin am Frauenseminar, und meine Kompetenzen als immer noch und ebenso flexible Teilzeit-Familienunternehmerin aus. Fatalerweise ist es nicht so, dass ich gar kein Lob bekommen hätte und auch nicht so, dass ich nicht wenigstens für einen Teil meiner Arbeit schon entlöhnt würde, was eigentlich auf dem Erfolgskonto zu verbuchen wäre. Mir selber ist es zu wenig um beachtlich zu sein und es geht mir viel zu langsam. Schnell sind die Fortschritte verbucht und ebenso schnell vergessen. Ich hetze mich zur nächsten Herausforderung um mich weiter zu beweisen und bin doch immer irgendwie im Hintertreffen. Das schreit zum Himmel und dem Leser ist spätestens jetzt klar, dass ich selber für diese Misere verantwortlich bin.
Klar, weiss ich doch, denn ich bin viel zu wenig koordiniert, zu wenig geordnet, gehe wohl nicht gezielt vor, habe zu viele Themen am Brennen, halte für mich zu viele Gangarten für möglich, das Thema immer noch nicht ganz klar – Verzettelung? Meine persönliche Mängelliste nimmt exponentiell zu, je mehr ich neidvoll – doch nie ohne Wohlwollen – meine zu beobachten wie Kolleginnen schneller mehr kriegen, erfolgreicher sind, mehr beachtet werden, geplant und fokussiert vorgehen und so Erfolge einstreichen. Dabei ist es für mich dringend mit meinem Unternehmen Geld zu verdienen, gefragt zu sein, mit fünfzig endlich Erfolge zu verbuchen, mich damit auch zu beweisen. Wem?
Phuaahhh, was für ein gewaltiger Rohrkrepierer. Langsam komme ich mir jetzt auch auf die Schliche. Ich bin sicher, ich bin nicht die einzige, die sich so das Leben schwer macht und bei der Verwirklichung ihrer Visionen noch ein paar Runden mehr drehen muss. …. und noch eins auf die Rübe und wieder selber schuld!
Armes Mädchen! Ihr kennt das? Das tröstet mich ein wenig. Und zudem ist die ganze Geschichte ja auch eine Kompetenz mehr für mich als Beraterin. Ich weiss, was da so in einem abläuft. Wenig ist mir fremd!
Aber wie kommt man da heraus? Ich war gestern an einem Kongress, organisiert von Julia Onken zum Thema Alter, „Die Kunst des langen Lebens“. Man fragt sich vielleicht und das berechtigterweise, was ich da zu suchen hatte. Als angehende Fachreferentin sollte ich die einzelnen Referenten und Referate studieren. Das habe ich getan und war beeindruckt. Die Qualität der Vorträge, die thematisch reich und trotzdem spritzig, witzig und belebend waren, gehalten von Kapazitäten, die alle schon über siebzig sind, hat meine eigene Messlatte noch um einiges erhöht, was jetzt, in meinem Dilemma gerade nicht wirklich förderlich ist. Allerdings konnten die Inhalte in noch grösserem Masse dazu betragen mich von meinem irrwitzigen Tun, meiner Selbstkasteiung und Hetze wieder abzubringen.
Die fünf wichtigen Schritte auf dem Weg zu sich selber, von denen ich zutiefst überzeugt bin, wurden wieder einmal genannt von Dr. Matthias Jung:
- erinnern
- beweinen
- bewüten
- begreifen
- verändern
Dieser Prozess ist wohl schmerzhaft, aber die Erinnerung erzählt unsere Geschichte, warum es uns so schwer fällt unsere Talente zu entfalten, warum wir uns so oft selber unter Druck setzen und abwerten, nie genügen können. Irgendwo da, in unserer Vergangenheit waren wir Kinder und waren nicht gewollt, nicht beachtet in unserem Tun, nicht gehört, nicht gesehen. Wie und wo auch immer unsere nächsten Bezugspersonen gefehlt haben, obwohl sie möglicherweise sogar das Beste gegeben haben. Es hat uns die nötige Anerkennung gefehlt und wir haben uns selber dafür die Schuld gegeben und uns noch mehr angestrengt und noch mehr und noch mehr…… und es war und ist nie genug!
Das ist wahnsinnig anstrengend. Darum bin ich jetzt auch erschöpft.
Aber ich habe es begriffen. Auch, dass ich noch viel Zeit habe und auf dem Weg bin um mein neues Unternehmen zur Blüte zu bringen. Ich bin Herzenblühen, und an jedem einzelnen Tag, an dem ich lese und glaube meine Zeit nicht gut genutzt zu haben, an dem ich über einer Idee brüte und meine nicht schnell genug in die Verwirklichung zu gehen, an dem ich morgens bis halb neun im Bett sitze und schreibe und mich dann dafür tadle nicht früher aufgestanden zu sein, in jedem dieser Momente habe ich mein Unternehmen besät und genährt, so dass ich zur Blütezeit vor meinem Blumenfeld stehen und staunen kann. Der Boden muss gepflegt werden um fruchtbar die Saat aufnehmen zu können. Diese braucht Zeit um zu knospen und zu spriessen und schliesslich ihre Blüte zu entfalten. Sie wächst nicht schneller, wenn ich an ihr zerre.
Einmal mehr muss ich mich entschleunigen und zu Fuss weitergehen, weil mein Motor hustet. Ich gehe langsam und nehme mir die Zeit, die Landschaft zu betrachten, die mich umgibt und nehme den Weg, der zu mir führt, was auch immer auf mich wartet.
„Der einzige Sinn des Lebens ist es, zu sein was wir sind und zu werden, was uns zu werden gegeben ist.“ Robert Louis Stevenson