Ich kriege das in meinem Kopf einfach nicht zusammen. Keine Folgerichtigkeit, kein Plan. Wie kann es sein, dass eine höhere, göttliche Macht, falls es sie gibt, wovon ich doch immer ausgehe, die Menschen, ihre Menschen, ihr Geschöpf immer wieder in dieselbe brutale menschenverachtende und vernichtende Zerstörungsmisere führt. Krieg, diese grausame Maschinerie aus Machtausübung, damit einhergehender Menschenverachtung, Missbrauch, Vergewaltigung und Zerstörung von Würde, Zerstörung von allem, was Menschen wichtig ist, Auseinanderreissen von Familien, Töten, Vertreibung. Der Krieg nimmt den Menschen alles und ich zweifle ob es für irgendeine Partei einen wirklichen Sieg oder Gewinn zu ergattern gibt.
Wissen wir es nicht? Denken andere Kulturen anders als wir im Westen? Flüstert ihr Gott ihnen etwas anderes zu? Was ist das für ein Gott? Ein vermenschlichter habe ich mir immer gedacht. Gott soll aber grösser sein, verzeihend, ein Gott für alle, der den Menschen gut gemeint hat und ihn schlussendlich in Güte wieder empfangen wird – jeden. Das Böse, die Greueltaten – haben wir sie erfunden, erschaffen? Wo hat das seinen Anfang genommen, sodass sich Leid im Kleinen bis ins Grosse immer wieder fortsetzen kann, immer wieder irgendwo wuchert, wie Krebs der Metastasen bildet? Ich sehe keinen göttlichen Plan. Wenn es der göttliche Wille war, dass der Mensch das Gute erkennt und danach handelt, dann geschieht das ja auch immer wieder – aber vor allem im Kleinen, Tropfen auf heisse Steine und genauso verursachen diese heissen Steine schon im Kleinen immer wieder ein Brodeln, kleine Hass- oder Streitfeuer, die in unserem engsten Kreise auflodern, kleine Kriege, die jeder von uns mal führt, weil wir unser Territorium, uns oder unsere Eitelkeiten verteidigen wollen. Wo fängt es an, wann und wo hört es endlich auf? Ich kann es mir nicht vorstellen und das ist das Ungeheuerlichste! Eine Welt in Frieden. Liebe, Eintracht und Verbundenheit der Menschen und Völker auf der ganzen Welt. Was anzustreben bleibt uns dann noch? Der Mensch hätte sein Ziel verloren, denn das ist doch unser alleroberstes Gebot, wonach irgendwann jeder mal handeln wollte: Friede und Liebe auf Erden. Schauerlich, dass sich Ziellosigkeit und Langeweile bemerkbar machen bei diesem Gedanken. Werden wir je erreichen, was wir uns nicht mal richtig vorstellen können?
Fazit ist, dass sich die Menschen weiterhin verkloppen und sich gegenseitig unvorstellbares Leid zufügen um sich und diese Erde irgendwann vielleicht ganz zu zerstören. Dann finden wir dann alle zusammen Eingang in die göttliche Verzeihung und Güte, die Greueltaten gesühnt und wir alle ruhen in Frieden?
Ich habe auch keine Vorstellung von diesem göttlichen Plan. Ich glaube aber auch nicht an den Teufel und das Böse als Macht, sondern an das Böse als Unglück, das sich in Menschen manifestiert aufgrund selbst erlittener Pein, die Hackordnung, dann die einzige Form der Erlösung. Das oder der Böse, ein verirrter Mensch.
So komme ich, wie so oft bei solchen Gedankengängen an ein dead end. Der göttliche Plan kann es nicht sein, das Böse in Verkörperung gibt es nicht, sind wir alle nur verirrt oder verwirrt?
Ich bin es jetzt und das hat vielleicht sogar sein Gutes, denn jetzt kann ich meine Verdrängungsmechanismen einschalten. Das kann ich gut, lebe ich doch an einem schönen sicheren Ort, wie die Made im Speck. Ich liege sonntagmorgens, jetzt, noch in meinem warmen Bett, habe ein schönes Frühstück in Aussicht und einen gemütlichen Tag in meinem wohligen, stimmungsvoll eingerichteten Haus. Meine Sorgen gelten der Organisation der kommenden Woche, der Erfüllung so mancher Pflicht und so einigem, das ich noch erreichen möchte. Es fällt mir einigermassen leicht, an das Gute im Menschen zu glauben und ich bemühe mich selber mit viel Akzeptanz und Mitgefühl durchs Leben zu gehen und dabei auch noch mich selber zu sein. Ich halte menschliche Werte hoch. Niemand, ausser vielleicht mal eine Krankheit, bedroht mein Leben oder das meiner Liebsten.Dafür sind wir alle krankenversichert und haben gute Aerzte und Krankenhäuser und genügend Medikamente zur Verfügung. Welch ein Luxus! Was für ein Glück ich doch habe! Dabei nehme ich immer wieder mal in Anspruch, unzufrieden oder unglücklich zu sein, forsche in meinem Innern nach Verletzungen und lecke alte Wunden, wie die meisten meiner Artgenossen hier in Europa.
Ja, jetzt wäre ich auch beinahe noch in diese Falle getappt! Es bringt uns nicht weiter, wenn wir uns schämen, weil es uns hier gut geht und schon gar nicht, dass wir uns um persönliches, geistiges Wachstum bemühen können und dürfen. Vielleicht liegt gerade darin die Wurzel des Friedens. Hätten wir alle unseren Frieden mit uns selber gemacht, bräuchten wir keine Projektionsflächen und Blitzableiter für unsere Unzufriedenheit oder unser Leid und vielleicht gäbe es dann keinen Krieg mehr. Wir können wohl nur uns selbst befrieden und dann kühlen vielleicht ein paar Tropen mehr den heissen Stein. Wie jetzt Gott da genau mitmischt oder was der Plan der Schöpfungsintelligenz dahinter sein soll, hat sich mir nicht erschlossen. Ich bleibe bei meinem kleinen Leben, wirke da und hoffe………