Wechsel-Tagebuch

Dies ist ein Tagebuch, ein Wechseljahre-Tagebuch, das ich mit Euch teile, mich Euch mitteile, damit Ihr Euch darüber freuen könnt, dass es anderen auch so geht, dass Ihr nicht alleine seid in Euren nächtlichen Feuern und täglichen Wallungen, in Eurer Erschöpfung, wenn des Nachts der Schlaf verbrennt und Ihr am Morgen keinen Fuss aus dem Bett bringt. Ich habe mir ja auf die Fahne geschrieben, dass ich die Heldin meiner Wechseljahre sein will und mit wehendem Haar habe ich bisher verkündet, dass dieses innere Feuer alles Unbrauchbare in mir verbrennt, damit ich geläutert in die neue Zeit der geistigen Reife treten kann. Seither hat die Hitzewallung ihre Höchsttemperatur noch um ein paar Grad erhöht und ihre zeitliche Dauer ausgedehnt, wohl um diese neu entstandenen Synapsen schnell durch Kurzschluss wieder auszuschalten. Und die Schläuche sind schon am Schmoren….Wer will mich da prüfen ob ich es aus so noch mit einem Lächeln schaffe? Tue ich nicht. Gestern morgen war ich einfach zu erschöpft, nachdem ich mich stündlich gewälzt habe, abgedeckt und jedes Stoffstück von mir entfernt, damit die feuchten Dämpfe aus meinem Bett entweichen können, das Fenster aufgerissen, damit die glücklicherweise kalte Regenluft mir Linderung verschaffe. Ich habe mich krank gemeldet und bin bis halb elf im Bett geblieben. Glaubt nicht, dass sich das schlechte Gewissen über die versäumte Zeit nicht sofort beim Aufstehen eingestellt hätte. Ich bin ja schliesslich nicht krank, sondern nur fünfzig und in den Wechseljahren, die ich als grossartige Läuterung durchzustehen gewillt war. Doch der dauernde Schlafmangel hebt bekannterweise die Stimmung nicht und das nächtliche Brennen wird mir zum Purgatorium, obwohl ich nicht wirklich einen langen Sündenkatalog aufzuweisen habe. Ja, ich habe mich bisher sehr bemüht aufrecht, ehrlich und fair durchs Leben zu gehen. Zudem bin ich ja erst in der Mitte meines Lebens und sehe sowieso keinen Grund mir das Büsserhemd überzuziehen und Hexenverbrennungen sind ja in der Schweiz schon seit einiger Weile abgeschafft. Trotzdem, ich brenne mehrmals des Nachts und auch am Tag falle ich des Öfteren mit rotem Kopf und Dekolleté und Schweissausbrüchen aus der Spur, atme plötzlich schwerer und nestle verzweifelt in meiner Handtasche herum bis ich meinen Fächer gefunden habe um mir kühle Luft zuzufächeln. Mitleidig lächelnd hören sich meine Gegenüber dann meine Litanei vom läuternden Feuer an und ich kann es in ihren Gesichtern lesen, dass sie alle froh sind, dass es nicht sie betrifft oder dass sie sich schon lange das Hormonpflaster an den Schenkel geklebt haben. Das könnte ich ja auch tun und wäre erlöst oder erleichtert. Aber wieso soll ich meinem Körper die Hormone wieder zuführen, die er naturgegebenermassen nicht mehr will und auch nicht mehr zu brauchen scheint. Das muss ja seinen Sinn haben, denn die Natur ist viel weiser als wir. Also weiss sie doch was sie tut, auch wenn es mir nicht immer so klar erscheint, wieso schon wieder die Frau solches durchleiden soll. Ein anderes Argument, das mir erst gestern in einer Frauenrunde am Fünfzigsten einer Freundin eingefallen ist, ist, dass die meisten Menschen früher, vor ein paar hundert Jahren das fünfzigste Lebensjahr gar nicht erreichten. Die meisten Frauen starben irgendwann im Kindbett oder an sonst einer Infektion. Sind die Wechseljahre also ein Frauenproblem der Neuzeit?

Ich glaube, ich muss da noch mehr wissen. Vielleicht könnt Ihr mir helfen?