Eigentlich wollte ich heute über Alltag schreiben. Ob Alltag Struktur ist oder Langeweile. Ob man die Langeweile auch aushalten muss um der Struktur willen und so weiter und so fort.
Doch mein Alltag wurde gestern durch eine schockierende Nachricht aufgemischt, die wieder einmal die Frage aufkommen liess, wie wir überhaupt unsere Tage leben und gestalten wollen.
Mein Schatz aus Primarschulzeiten und spätere Teenagerliebe ist gestorben, einfach so, nachts im Schlaf.
Er war der Sonnyboy unseres Dorfes und hat das Leben leicht genommen. Sein Charme hat wohl so einige Frauenherzen erobert und gebrochen. Meine Mutter meinte, es hätten ihn sicher mehr Menschen gemocht als nicht.
Es ist Jahre her, dass ich ihn gesehen habe. Unsere letzte Klassenzusammenkunft liegt fünfundzwanzig Jahre zurück.
Trotzdem, ich bin….? Was bin ich? Traurig? Schockiert? Erschüttert? Das sind wohl gar heftige Gefühlsregungen, denn es verbindet mich nur noch eine alte Erinnerung mit diesem Menschen. Meine Kindheit und Jugend ist schon zu lange her. Doch jetzt ist durch diesen Tod auch etwas davon endgültig vergangen.
Er hat mir einst viel bedeutet und jetzt gibt es keine Möglichkeit mehr, sich nochmals zu treffen, keine zukünftigen Berührungspunkte. Alles was diesen Menschen betrifft, liegt nunmehr in der Vergangenheit und ist eingefroren – eben tot. Dieser jungendliche Teil meines Lebens, der mir noch so nah schien, hat sich jetzt – zum ersten Mal – in seiner Hinfälligkeit gezeigt. Das ist es wohl auch, was mich aufwühlt und mit Trauer erfüllt. Ich bin definitiv nicht mehr jung. Jetzt beginne ich zu verstehen, was es für meine Eltern bedeutet, dass ihre Freunde wegsterben. Das eigene Leben bröckelt und vieles davon ist nur noch Erinnerung, die sich nicht mehr anreichern lässt mit neuem Stoff, denn die Protagonisten sind nicht mehr.
Die Schöpfungsintelligenz hat ihre Allmacht demonstriert und da steht man doch – oder sitzt mehr – im Leben und kämpft weiter gegen die Urgewalt des Todes und versucht die Angst davor an einem kleinen Platz zu halten.
Ich überdenke wieder einmal mein alltägliches Bemühen und Abmühen in Anbetracht der finalen Urgewalt, die uns alle jederzeit und unerwartet treffen kann.
Wie immer in solchen Situationen stellt sich sofort die Sinnfrage und wie immer ist sie wohl kaum zu beantworten. Allenfalls kann jeder für sich seine Antworten suchen. Wir meinen unser Tun soll sich darauf ausrichten genug Sinn zu stiften und uns Erfüllung zu bringen, sodass wir dem Tode erhobenen Hauptes entgegentreten können. Wir wünschen uns auf das Ende hin Versöhnung und hoffen inständig, dass sich unser Leben und unser Tun nicht im Nichts auflöst, dass wir „etwas“ hinterlassen.
Doch eigentlich gibt es keine Garantien.
Was bleibt ist die Gegenwart des Einzelnen. Sie zu leben und gar zu geniessen ist wohl die Ehrerbietung, die wir dem Leben darzubieten in der Lage sind.
So versuche ich meinen Blick vorwärts zu richten, zu geniessen, was möglich ist und anzunehmen, was unvermeidlich scheint. Liebe und Freude sollen meinen Alltag erhellen und auf meine Menschen hinüberscheinen. Der Wunsch möglichst viele schöne Erinnerungen zu generieren, ist wohl der einzig plausible.
Ja, jetzt erinnere ich mich. Damals, als wir im Konfirmationslager waren und für die Bergbauern Entwässerungsgräben gebaut haben, …….. Wir haben ständig herumgeschmust und ich war so verliebt und seine blauen Augen und sein Charme haben mich überwältigt.