Eine Kompetenz für Ausbilder: Klarheit!

Es ist noch nicht ausgestanden und immer wieder verwirrend.

Ich habe mich schon gewundert, dass mir meine Tochter jeden morgen mehrere SMS schreibt. Wenn es ihr gut geht, alles läuft, wie es sollte, höre ich oft tagelang nichts von ihr und muss mich bei ihr meistens selber wieder in Erinnerung rufen und sie anrufen. Sie hat dann auch kaum Zeit um mit mir zu reden.

Ich frage Annina immer ob alles gut läuft im Hora. Sie sagt immer: „Ja, Mami.“ Gebe ich ihr noch ein paar Ratschläge, sagt sie „Ja, Mami, mach ich, Mami.“ Tut sie’s wirklich oder verdreht sie gar die Augen und denkt: „Jetzt predigt sie wieder.“? Ich kann’s ihr wirklich nicht verdenken? Darum beende ich dann auch die Fragerei, denn ich will ja auch keine schlafenden Hunde wecken.

Das ist leider auch nicht nötig, denn schon am Tag darauf bekomme ich eine Mail von ihrem Ausbildungsleiter. Wenn ich seine Adresse in meiner Mailbox aufblinken sehe, dann sträuben sich mir schon die Nackenhaare. Steht dann im Titel nicht Memo und in der  Anrede ‘liebe Hora-Azubis’, sondern Zwischenstand und ’liebe Ingrid’, dann ist der Mist für mich geführt. Dann weiss ich: Jetzt kommt wieder eine Beschwerde über meine Tochter. Sie trickse, mache mit, wo sie wolle und verweigere sich sonst, wollte an einem Vorführungsabend nicht nach Hause gehen, obwohl sie ja nicht mitspiele. Sie wollte zuschauen, dabeibleiben. Dann esse sie ihr mitgebrachtes Essen nicht und lasse es in ihrer Garderobenkiste verschimmeln.

Muss sie essen, wenn sie keinen Hunger hat? Und warum versteckt sie es?

Ja, ja, ja….. ich kann es nicht mehr hören. Ich habe es schon beim ersten Mal kapiert. Ich brauche nicht hundert Wiederholungen um etwas zu verstehen und zu lernen. Sorry, aber meine Tochter schon.

Wir wollen uns erinnern: Sie hat ein Down Syndrom! Sie braucht Zeit! Und sie ist in der Pubertät und Verweigerung ein wichtiger Entwicklungsschritt zum Erwachsenwerden. Nicht nur bei Jugendlichen mit einer Beeinträchtigung korreliert der Ablösungstrotz mit der Erstausbildung. Aber gerade in der Zusammenarbeit mit unseren Jungen erwarte ich von den zuständigen Ausbildungspersonen doch eine gewisse Kompetenz im Umgang mit solchen Problemen. Sicher werden Abläufe so unterbrochen oder erschwert, aber mit der richtigen Motivation, freundlich und mit Humor, ist zum Beispiel meine Tochter schnell wieder mit an Bord.

Unterdessen habe ich mich natürlich umgehört und auch von anderer Seite meinen Verdacht bestätigt bekommen, dass genau da das Problem liegt. Nicht nur Annina spürt, dass man ihr nicht wirklich wohl gesonnen ist. Darauf reagiert sie sehr schnell mit Abwehr. Aber auch dieser Sachverhalt ist mehr oder weniger schon lange klar.

Das Jahr wollte durchgezogen werden. Waren es doch die gesprochenen Gelder, die ausschlaggebend waren, obwohl das natürlich vehement bestritten wurde.

Jetzt sitzt Annina das Jahr aus, absolviert die verbleibenden Wochen – es sind noch fünf – und jetzt droht man, sie vorzeitig rauszuschmeissen, wenn sie ihr Verhalten nicht ändert, ein Verhalten, das sie immer wieder gezeigt hat. Es war nicht davon auszugehen – jetzt wiederhole ich mich auch schon – dass sich dies eins aufs andere schlagartig ändert.

Was allerdings ständig ändert ist die Meinung darüber, was noch verträglich ist. Die Bedingungen werden immer wieder leicht verändert. Besonders augenscheinlich in dem Moment, als die Entscheidung fiel, das Jahr durchzuziehen.

Ich glaube, meine Tochter kommt einfach nicht mit ihrem Ausbilder klar. Das kann ich verstehen. Ich komme auch nicht mit ihm klar, denn: Er ist nicht klar!

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