Die Empörung über die KESB und die lauten Forderungen nach ihrer Abschaffung sind mehrheitlich verklungen. Ich war nie für eine Abschaffung. Mir leuchtet der Schutzgedanke ein. Ein erwachsener Mensch, wie meine Tochter mit Trisomie 21, soll begleitet und vertreten werden, da wo er/sie Hilfe braucht, da wo er/sie ihre Angelegenheiten nicht selber regeln und vertreten kann. Das tönt plausibel. So viel Unterstützung wie nötig, individuelle Beistandschaften, bedürfnisorientiert sozusagen.
Nun, ich dachte, ich könnte mein Kind, das jetzt erwachsen ist, am besten vertreten. Ich habe drei Kinder. Ich habe zwei normalbegabte Jungen, junge Männer nun. Ich meine zu wissen, was Pubertät bedeutet, wie Ablösungsprozesse vor sich gehen und was Loslassen auf Elternseite heisst. Meiner Meinung nach, ist es essentiell den jungen Menschen ihren eigenen Weg zuzugestehen, auch wenn er nicht immer unseren Vorstellungen entspricht, sie zu unterstützen nach bestem Wissen und Gewissen, darin, ihre eigene Gangart zu finden, aber auch zu lernen die Verantwortung dafür zu übernehmen.
Im Falle meiner Tochter ist das nur bedingt möglich. Das heisst für mich, manche Ablösungsprozesse können in diesem Sinne ablaufen, benötigen aber in gewissen Situationen noch mehr Begleitung. Am natürlichsten und einfachsten scheint mir, wenn diese Prozesse von den Eltern begleitet werden, denn sie kennen ihr Kind schon seit Geburt. Leider ist es nicht so, dass es allen Eltern leicht fällt loszulassen und leider ist es nicht so, dass Eltern immer im Sinne ihres Kindes handeln und eigene Interessen und Wünsche aussen vor lassen können. Oft erweisen sich anerzogene Muster und Ideen der Eltern als grosse Hindernisse und Plagen der Heranwachsenden.
Jedes Kind will geliebt werden, will die Anerkennung seiner Eltern. Der Wunsch zu gefallen verhindert dann oft das Finden des eigenen entsprechenden Weges und es werden die Wunschvorstellungen der Eltern umgesetzt. Die andere Variante ist Rebellion, wichtig für die Ablösung, aber irgendwann auch hinderlich, weil man sich dabei ja in einer Trotzposition befindet und damit immer in der Negativvariante des von anderen Erwarteten sitzt und somit nicht das Eigene entwickeln kann.
Fazit: Wir müssen den Raum auftun können für unsere Heranwachsenden und Vertrauen hineinschütten, viel mehr als unser eigenes Zutun und Zureden und Raten und Wollen. Der noch unbearbeitete Boden wird die neuen Samen mit seiner Fruchtbarkeit nähren und zum Spriessen bringen.
Was passiert, wenn sich Eltern, geschiedene Eltern, nicht einig sind darin wieviel Begleitung oder eben offenen Raum ein erwachsenes Kind mit Beeinträchtigung braucht? Dann wird eine externe Beiständin eingesetzt, die gewisse Entscheidungsgewalten hat. Auch sie oder er ist ein Mensch, mit Prägungen, Vorlieben, eigenem Erfahrungshintergrund und Driggern. Es verlangt nach einem grossen Geschick in diesem Spannungsfeld die Interessen des Klienten zu vertreten, Eltern nicht vor den Kopf zu stossen und doch in obigem Sinne zu handeln, nämlich den Hauptauftrag nicht aus dem Blickfeld zu verlieren, einen möglichst ungespurten Boden zu gewährleisten, der Entwicklungspotential fördert, das Selbständigwerden und menschenwürdige, erwachsene Entscheidungen ermöglicht. Die Gefahr, das Elternteile an ihren eigenen Vorstellungen basteln, gerne gerade Kinder mit Beeinträchtigung an sich binden und klein halten wollen, besteht. Kommt es zu Begünstigungen, weil das der einfachere und zeitsparendere Weg ist, dann ist für mich der Mist geführt. Gerade in solchen Fällen bräuchte es viel Geschick um Manipulationen und Einflussnahme zu verhindern.
Und da krankt die Behörde und daher kommt meiner Meinung auch die Kritik und der Widerstand. Die Zeit ist immer zu knapp. Man bindet Eltern ein und delegiert gerne Aufgaben an sie, was auch sinnvoll ist. Man hat hier auch diesen paritätischen Auftrag. Ich frage mich nur, ob Parität in jedem Fall gefordert werden kann und darf. Warum darf auf Rechte gepocht werden, wenn Pflichten nicht erfüllt werden. Warum werden Forderungen erfüllt, wenn sie nur vehement genug ausgesprochen werden. Warum werden dann aber Sitzungen nicht in paritätischer Zusammensetzung angesetzt und Bedürfnisse nach einer ausgeglichenen Vertretungszahl (wenn es nun wohl oder übel zwei Interessenseiten gibt) nicht berücksichtig? Dies alles schürt den Unfrieden und schafft schlechte Voraussetzungen um wirklich für die Interessen und Angelegenheiten des Bebeiständeten zu arbeiten. Die Drohung die Eltern ganz von einem Mitspracherecht zu entbinden ist dann einfach um schnell mundtot zu machen, wer sich noch wehren wollte. Meiner Meinung nach ist in diesem Fall die Aufgabe eines Beistandes auch, eine Gangart mit den Eltern zu finden, die möglichst fair ist, keinen bevorzugt, aber auch Manipulationen jeglicher Art und jeglicher Interessen unterbindet.
Der Beistand ist unter anderem ein Moderator. Kann er/sie diese Aufgabe nicht erfüllen oder drückt sich davor, hinterlässt er unzufriedene Beteiligte.
Diese Unzufriedenheit hat grosse emotionale Hintergründe, wie folgende: Ich habe meine Kinder geboren, habe sie aufgezogen, unter Freud und Schmerz, habe mein Mädchen mit Trisomie 21 in den Regelkindergarten und die -schule begleitet, habe sie gefördert und integriert, überall mitgenommen und so oft begleitet, wie ich nur konnte. Ich hatte immer die Vision von einem möglichst selbständigen und würdevollen Leben für sie. Dafür kämpfe ich.
So, und jetzt kommt da plötzlich ein fremder Mensch und bestimmt und weiss was meine Tochter braucht. Das macht mich wütend!