Ein Woche nur in einer anderen Umgebung reicht um die Wahrnehmung der Dinge zu verschieben. Das ist gut. Das ist sehr gut! Denn können wir die Welt sowieso nur von einem, unserem Standpunkt aus sehen, so ist es doch interessant, wenigstens diesen ab und zu ein wenig anders zu verorten.
Die ersten Tage des Ankommens an einem neuen Ort, sind, so scheint mir, oft mit einem Gefühl des Befremden gepaart. Doch sobald man seinen persönlichen Duft verströmt hat, die wichtigen Dinge ihren Platz gefunden haben und die persönliche Orientierung, das innere Navi funktioniert, spätestens dann ist man da. Man weiss, wo man einkaufen kann und wo die guten Restaurants sind – sehr wichtig für uns – die Strassenbeschilderung gibt keine Rätsel mehr auf und der Strand, an dem es einem besonders gut gefällt ist gefunden.
Welcher Art auch immer die Wünsche und die Orte, die wir danach aufsuchen, immer braucht es die Zeit um herauszufinden ob wir empfangen werden.
Ob wir uns willkommen fühlen, hängt vielleicht von verschiedenen Faktoren ab, einerseits von der Mentalität des Volkes, welches das Land bewohnt, das wir besuchen und andererseits wohl auch von uns selber, unserer eigenen Offenheit und Freundlichkeit und ganz sicher von unseren Erwartungen.
Ich habe festgestellt, dass ich, wie schon oben erwähnt, dafür immer eine gewisse Zeit brauche. In den ersten Tagen fühle ich dann oft ein wenig unsicher, schutzlos – aus meiner Welt gefallen. Wie unser Hund rieche ich in der neuen, temporären Behausung Duftnoten, die nicht die meinen sind und mir so aufs Erste nicht passen. Der Instinkt sagt „fremd“ und „nicht zuhause“ und wenn es dann noch regnet und kalt ist, möchte ich ganz schnell wieder nach Hause.
Aber natürlich bleibe ich, will mich dem Wechsel stellen, denn ich weiss, das „Fremden“ wird bald aufhören, und so packe ich stattdessen meine Sachen aus und versuche mir möglichst nichts anmerken zu lassen und hoffe auf ein erstes gutes Mahl, dass meine Sinne befrieden möge. Mit vollem Magen und glücklichen Geschmacksnerven, nach einer Flasche gewichtigem Rotwein, sieht dann die Welt auch abends im Regen, im toskanischen Hinterland schon bedeutend freundlicher aus. Das Bett ist warm, weil mein lieber Mann drin liegt und unser Hund hat sich auf dem Vorleger zusammengerollt. Morgen….. da entdecken wir diese Welt und sie wird uns ihr freundliches Gesicht zeigen!
So ist es, denn mit jedem neuen Tag riecht das Haus mehr nach uns, haben unsere Dinge ihren festen Platz gefunden und die Sonne hat die Welt zurückerobert – wenigstens teilweise. Wenn es dann mal regnet trübt es nur die Welt draussen ein. In meiner inneren scheint nach wie vor die Sonne, denn ich habe Ferien und bald fahren wir zum Meer, weg von den Wolken, die in den Hügeln hängenbleiben.
Da sitze ich dann an den Gestaden der Welt und meines kleinen Lebens und blicke in die Weite der See und weiss: Alles ist relativ und halb so wild und das Leben ist einfach schön. Mein Mann spielt mit unserem Hund, der gerade lernt, dass er schwimmen kann und ich lerne, dass die Unsicherheit, das erste Fremdsein die Sicht weitet für das Andere, das wir doch eigentlich kennen und das uns dazu verhilft unseren Blickwinkel wieder einmal zu verschieben um das Leben neu zu sehen.
Angesichts der Gewalt des Meeres, der unendlichen Weite des Horizonts, des undurchdringlichen Grüns der Wälder, dem Charme der alten Städtchen und der entzückenden Offenheit und Freundlichkeit der Italiener und eingedenk der légèren Nachlässigkeit, die das Zelebrieren des Dolce far niente bedingt, finde ich zu meiner Entspannung. Ich beobachte Land und Leute und vergesse meine eigenen Krämpfe. Nein, eigentlich vergesse ich sie nicht, aber sie bekommen neue Wertigkeiten, sind nicht mehr sooo wichtig.
Das sind Ferien!
Neue Landschaft, andere Kultur, fremde Menschen und dazu unzählige Geschichten, die sich mir anbieten. Unbedeutend scheint die eigene im Weltgeschehen und das erleichtert und nimmt den Druck weg, den uns diese schweizerische Genauigkeit und der Drang alles richtig zu machen auferlegt.
Das inspiriert.
Die Geschichte der Menschheit entfaltet ihre Farben und Gestaltungsmöglichkeiten in der Weite meiner Weitenwahrnehmung und ich sehe, dass ich nur eine winzig kleine Variation bedeute im ganzen Geschehen.