Vielleicht komme ich mit meinem hashtagmetoo-Nachtrag jetzt definitv wie die letzte Post. Doch ist es eigentlich irrelevant unter welcher Betitelung meine Gedanken zu Übergriff und Gewalt fungieren. Sie sind durch die jüngsten Vorkommnisse in Hollywood motiviert, doch eigentlich von meiner eigenen Betroffenheit gefärbt. Diese fühlt sich an nach metoo, doch wenn ich in meinem Gedächtnis grabe, in meiner Vergangenheit wühle, den Grund für diese Gefühle von Wut, nachempfundener Ohnmacht und Demütigung, von Machtlosigkeit, Ausgeliefertsein, von Angst, Verletztheit und Trauer suche, dann kann ich mich an keinen wirklichen Vorfall erinnern. Da war dieser arme Irre, der mir in einergotischen Kirche in Paris, in einem düsteren Seitenschiff – ich versuchte gerade eine lateinische Inschrift zu entziffern – seinen warmen, trockenen Penis an meine hinter dem Rücken verschränken Hände drückte mit der heiseren Aufforderung: „Tiens!“ Das hat mich definitiv nicht traumatisiert, eher amüsiert. Ich rettete meine Freundin und wir verliessen die Kirche und haben den Vorfall vergessen. Ansonsten habe ich mich zu schützen gewusst oder ich habe Unberührbarkeit ausgestrahlt oder einfach Glück gehabt – meine ich. Keine anzüglichen Berührungen von Studienkollegen oder eindeutige Vorschläge von Chefs, soweit ich mich erinnern kann.
Doch woher dann die tiefe Betroffenheit? Habe ich etwas aus meinem Gedächtnis gelöscht, verschoben, verdrängt? Oder kann ich meine Erschütterung zurückführen auf all die vielen Erlebnisse psychischer Gewalt, die ich mit einem Expartner hatte? Meine Wunden, die niemand sieht, weil sie sich nicht in blauen Flecken auf dem Körper manifestieren fangen immer dann an zu schwären, wenn ich über misshandelte Frauenschicksale lese und ich fühle mich ihnen dabei seltsam verbunden. Seltsam, weil ich meine, ich sei ja doch nicht geschlagen oder vergewaltigt worden. Doch zählt die Vergewaltigung der Seele nicht, nur weil man sie nicht sieht? Ist das Sexualverhalten eines Partners, der meinte mich drapieren zu dürfen, wie es ihm beliebte und seine Finger ihn alle Öffnungen steckte, von denen er meinte sie würden ihm gehören und es würde mir Lust bereiten, weil er das so haben wollte, vielleicht auch eine Form des Übergriffs?
Das Verneinen des Missbrauchs, das Inschutznehmen des damals noch geliebten Mannes, die Schuldgefühle – man liebt ihn wohl nicht genug, sollte verständnisvoller sein, sich selber nur besser erklären, damit er „es“ versteht und nicht immer so gekränkt und wütend ist, all dies macht nichts ungeschehen. Die permanente Willkür, Wutausbrüche, Demütigungen, Abwertungen, sie bringen das Selbstbewusstsein massiv ins Wanken. Man ist in einem Zustand der ständigen Angst, der steten Wachsamkeit und Abwertung.
Wohin diese, meine Wort führen sollen, weiss ich noch nicht genau. Mir wird nur jedes Mal, wenn ich Missbrauchsgeschichten höre, bewusst, wie tief das Netz, sowohl des Täters wie auch des Opfers in deren Vergangenheit führt und wie sehr alles mit dem Thema Grenzen erfahren und Grenzen respektieren zu tun hat. Nur wer diesen Respekt erfahren hat, kann auch seine eigenen Grenzen klar aufzeigen, die der Anderen respektieren und realisiert schnell und klar, wenn er/sie zum Opfer wird.
Schnell drängen sich Fragen auf wie: Was herrscht für ein Frauenbild? Wie werden die Mädchen erzogen? Was erfahren schon die Jungs über Körperlichkeit – über die eigene und darüber wo sie endet?
Darf mein Partner sexuell alles mit mir machen?
…ich schämte mich der Dinge, die er mit mir getan hatte und die ich nicht gewollt hatte. Ich schäme mich jetzt noch, vor allem dafür, dass ich nicht Nein gesagt hatte, mich nicht selber geschützt hatte, seine Ablehnung in Kauf nehmend und meine Zustimmung mir selber gegenüber an erste Stelle setzend.
Es war ja gar nichts so Schlimmes vorgefallen, dachte ich. Sein Insistieren und die mangelnde Sensibilität meinen Wünschen und Gefühlen gegenüber, waren mir wohl gewohnt…. und Streit gibt es überall. Je länger ich mich dazu hingab mich selbst zu verraten, desto mehr verachtete ich mich – und ihn. Gleichzeitig wollte ich mich immer noch nicht als Opfer sehen. Ich war stark und kam mit dem Leben klar.
Mein Inneres, so wund und bedürftig, fürchtete sich zu sehr vor Wut und Ablehnung und Liebesentzug.
Jahre später und immer, wenn ich von Schicksalen anderer Frauen höre überspült mich eine Gefühlsflut und irgendwie weiss ich, das hat alles auch mit mir zu tun. Metoo.