Heute morgen, noch im Bett, dachte ich: „Du kannst Dich ja auch mal politisch äussern, statt immer nur über Deine Lebensgewohnheiten zu plappern. Das ist vielleicht interessanter und verleiht Dir erst noch eine Intellektuellen-Aura, so nach dem Motto: Frau mit Köpfchen hat etwas zu sagen“ „Echt jetzt?“ fragte ein anderes Ich leicht irritiert, aber verstummt dann, geduldig wartend und schauend, was da jetzt noch passiert.
Dann schauen wir doch mal in den Tagi, was da so abgeht in der Welt. Geri Müller: Entschuldigung, aber kein Rücktritt. Weshalb habe ich so etwas nur gemacht? Seit Tagen bewegen die Nacktselfies dieses Herrn die Gemüter und lassen den Blätterwald rascheln. Ich persönlich habe echt null Bock darauf, mich damit zu befassen. Dafür ist mir jetzt echt die Zeit zu schade und sein Teil scheint mir sowieso von sehr geringem Interesse zu sein. Ich verstehe die ganze Aufregung überhaupt nicht. Zwei Seiten weiter kommen die „Gräueltaten auf beiden Seiten“ zur Sprache, über den Krieg im Irak und Syrien. Das Foto von zwei Kindern, die auf zerrissenem Karton schlafen müssen, weil es im Flüchtlingscamp keine Bettchen für sie gibt, schneidet mir ins Mutterherz und Herr Müllers allerwertestes Teil versinkt in seiner Unwichtigkeit im Weltgeschehen aus allen erdenklichen Gründen in die unterste Schublade. Wenn ich mir nur im Ansatz vorzustellen wage, dass mir meine Kinder getötet werden, zerfetzt von einer primitiven Fassbombe mit brutaler Wirkung, abgeworfen aus einem Frachtflugzeug ohne mögliche Treffsicherheit, dann kann ich nicht einmal über imaginierten Schmerz berichten, denn dieser scheint mir so ungeheuerlich und untragbar, dass ich solche Gedanken ganz schnell verdränge. Die durch diese Ohnmacht hervorgerufenen Schuldgefühle lösen einen eigentlich positiven Affekt aus, denn Dankbarkeit stellt sich ein, dafür, dass ich hier in der Schweiz leben darf und dass ich meine Kinder aufwachsen und sich entfalten sehen kann. Sie sind in Sicherheit. Wir leben im Frieden und unsere Generation hat keine Idee mehr davon, was es bedeutet um Leib und Leben zu fürchten. Welch ein Glück. Doch aus jedem Zeitungsbund schauen mir traurige Kinderaugen und Mutterschmerz entgegen und ich kann und darf die Augen davor nicht verschliessen. Die absurde Berichterstattung über Geri Müllers Schwanz lässt in mir dann Wut hochkommen über die Ignoranz des Westens und ehrlich gesagt, weiss ich gar nicht um was es bei dieser Müller-Sache wirklich geht. Es ist einfach unwichtig!