In einer Woche und ein paar Tagen ist Weihnachten. Wie jedes Jahr wurde bei allen möglichen Gelegenheiten und intensiv im Netz darüber sinniert, was Weihnachten bedeuten kann und welche Gefühle und Erwartungen daran gebunden sind. Weihnachten ist ein hochexplosives Thema und emotional schwer belastet. Man wünscht es sich sinnlich, wird besinnlich, Nächstenliebe wird zum grossen Thema, genauso wie Aerger und Wut über die, die sich dem eigenen Welt- oder Weihnachtsbild nicht unterordnen. Was Familie ist und zu sein hat, wird im Vorfeld filmisch (Love the Coopers) und textlich in allen Varianten durchexerziert, über Abweichungen lamentiert und ich geb’s zu: auch von mir!
Man ist auf der Suche nach diesem vorweihnachtlichen Gefühl, der Vorfreude, den Düften, den Erinnerungen aus Kinderzeiten, die wir wiederaufleben lassen möchten. Und so vielen ist es abhanden gekommen, dieses Gefühl, und sie beklagen es, denn es fehlt ja doch etwas. Schliesslich ist bald Weihnachten und das Geschäft damit gaukelt uns vor, dass bald das grösste Fest des Jahres stattfindet – in uns und um uns. Das Konsumkarrussel dreht sich immer schneller um uns, doch in uns, da wo dieses feierliche Gefühl ja eigentlich wohnen sollte, da finden wir es nicht. Ich will jetzt niemandem diese hohe Zeit vermiesen – am wenigsten mir selber, obwohl ich diesbezüglich schon ab und an zu einem gewissen Pessimismus neige. Ich habe die Mahnfinger wahrgenommen und die Empörung registriert gegen solche Weihnachtsmiesmacher. Am Heiligtum sollte nicht zu stark gerüttelt werden. Und schliesslich:
Wir haben ja alles und wollen es manchmal nur nicht sehen. Diese fantasierte Weihnachtsstimmung, die wir dann haben oder eben nicht, hat ja nur mit unserem eigenen Seelenzustand zu tun. Besinnlichkeit kann man nicht kaufen oder auf Weihnachten einfordern. Sie ist kein Grundrecht und überrascht uns wie die Liebe oft von hinten, in unerwarteten Momenten.
Wie mich zum Beispiel letzten Samstag. Meine Tochter war übers Wochenende zuhause. Samstags um zehn hatten wir zusammen einen Termin bei der Frisöse. Zum grossen Fest soll die Haarpracht frisch gemècht und geschnitten sein. Wenn das Besinnliche schon hinterherhinkt, wollten wir uns im Vorfeld mal um das Festliche kümmern. Auch die Coiffeuse hatte noch ein paar Anekdötchen zum Thema in petto und wir haben uns halbtot gelacht darüber, was Mensch sich zu Weihnachten so alles antut und wieviel Stress wir uns machen damit ein einziger Abend genauso wird, wie wir es uns und dann auch noch jeder einzelne der Familie es sich vorstellt. Frau und Mutter ist da besonders gefährdet. Mach es allen Recht und keiner ist zufrieden!
Kichernd verliessen wir um die Mittagszeit den Frisörladen und die schon hektische Stadt. Meine Tochter ist stolz und voller Freude über ihre neue Frisur. Sie fühlt sich schön, als Frau und mir sagt sie: „Du bist so hübsch, Mami. Ich hab Dich lieb!“ Arm in Arm schlendern wir zwei „hübschen“ Blondinen zum Auto und mein Herz hüpft in meinem warmen Innen.
Meine braungelockte Hündin empfängt uns zuhause wild schwanzwedelnd und vor Freude ganz hibbelig. Sie findet uns immer total schön und lieb und springt an uns hoch und leckt uns die Hände, zerrt an unseren Pullis und will raus. Der Hund, diese treue Seele.
So spazieren wir mit ihr noch ins Dorf zum Weihnachtsmarkt. Annina wird wie immer von allen freudig gegrüsst und nach ihrem Befinden gefragt. Sie ist hier integriert und akzeptiert und ihr Erscheinen löst viele herzliche Reaktionen aus. Da haben wir sie ja, die Nächstenliebe! Wir kaufen ein paar Geschenke, halten ein paar Schwätzchen und trinken einen Kadi-Schnaps mit Freunden. Beim Eindunkeln machen wir uns auf den Heimweg. Es ist ziemlich kalt geworden. Wir ziehen die Handschuhe über und hängen uns schlotternd beieinander ein. Ich nehme den Hund kürzer an die Leine und dann geht’s im Stechschritt Richtung Zuhause. Bald schon wird mir Wechseljährigen wieder heiss. Annina ist auch froh verlangsamen wir das Tempo. Wir spazieren durch die Dämmerung. Die Wiesen sind schwarzgrün und über den Drumlins der Hirzelgegend leuchtet ein ferner gelbroter Schimmer. Es ist still. Einzelne Häuser sind beleuchtet, ihre Konturen mit Leuchtketten nachgezogen und in den Gärten tragen auch Bäume und Sträucher weihnächtlichen Lichterschmuck. Da und dort leuchtet ein Plastikengel oder ein Weihnachtsmann auf dem Treppenabsatz.
Annina tun die Füsse weh. Mir auch. „Bald sind wir zuhause!“ Arm in Arm gehen wir heimzu. Der Hund trottet, schön bei Fuss neben uns her, leicht ängstlich in der Dunkelheit. Vom Waldrand herüber strahlt ein kleines rotes Licht. Da ist unser Zuhause. Warm wird es sein bei uns, Kerzen werden brennen und ein Feuer im Kamin. Es ist nicht mehr weit.
Plötzlich ist in mir dieses Gefühl von …. Dankbarkeit? Freude? Besinnlichkeit? Ja, und Liebe und Frieden.
Bald ist Weihnachten und plötzlich ist mir ein wenig feierlich zumute.