Verhütung! Ein Frauenthema? Auch. Ein Mutterthema? Ich denke schon. So weit ich mich erinnern kann, habe ich mich als ich einen festen Freund hatte und die Pille wollte, an meine Mutter gewandt und sie ist mit mir zur Frauenärztin gegangen.
Heute werden die Kinder mehrheitlich durch die Medien, in der Schule und durch Freunde aufgeklärt. Ich mag mich nicht erinnern, dass ich mich mit meinen Jungs je zusammengesetzt hätte um ihnen die Sache mit der Liebe, der Vereinigung und der Vermehrung zu erklären. Die Bienengeschichte kam nicht zum Einsatz, denn alle Ansätze dazu wurden im Keim erstickt: „Ou nei, Mami, das wüsset mer dänk schon alles!“ Es war ihnen eher peinlich, dass ich jetzt auch noch mit diesen Aufklärungsversuchen ankam.
Mit meiner speziellen Tochter hat die Heilpädagogin mit speziellen Zeichnungen gearbeitet. Somit wurde mir auch hier die Aufklärungsarbeit abgenommen, natürlich nicht vollständig, da dies sowieso ein langjähriger Prozess ist.
Vor etwa vier Jahren stellte man mir die Frage nach Verhütung. Nicht etwa meine Tochter, sondern die Institution, in der sie zur Schule ging. Sie wollten den präventiven Schutz. Eine Begründung dafür war die Möglichkeit des Übergriffs und einer daraus folgenden Schwangerschaft. Ich war überrascht und dagegen. Sie sollte nicht gegen Übergriffe „geimpft“ werden. Man sollte sie genauso davor zu schützen versuchen, wie jedes andere Mädchen auch. So wie ich immer versucht hatte meine Tochter mit Down Syndrom möglichst normal zu behandeln, so wollte ich das auch in dieser Sache: Wenn sie einen Freund hat, dann werde ich ihr helfen, die nötigen Massnahmen zu treffen. Doch offensichtlich war dies nicht die gewohnte Gangart und nach einer Zeit des Zögerns und ein paar zweideutigen Begebenheiten mit einem Jungen war ich weichgeklopft und stimmte der präventiven Verhütung mit der Pille zu.
Wie gesagt, seither sind ein paar Jahre ins Land gezogen und immer mehr frage ich mich, warum im Falle spezieller Menschen eine andere Gangart gelten soll. Der Missbrauch darf kein Argument sein, denn keine „normale“ junge Frau lässt sich die Pille verschreiben für den Fall, dass sie vergewaltigt wird. Oder? Warum soll dieser Fall für behinderte junge Frauen in Betracht gezogen werden? Zudem schützt sie die Pille ja nicht vor dem Missbrauch, sondern vor einer Schwangerschaft, die in diesem Falle immer ungewollt ist und sie schützt auch nicht vor AIDS oder Geschlechtskrankheiten. Darum muss die Aufklärung hier weiter gehen und bei Menschen mit einer Beeinträchtigung intensiver sein.
Missbrauch ist immer ein Übergriff, ist immer Gewalt. Wir müssen dafür besorgt sein, Menschen, Frauen davor zu schützen. „Impfen“ dagegen können wir sie auf keine Art und Weise, schon gar nicht mit Abgabe der Pille. Man könnte sogar so weit gehen und die Pille oder jede Art von präventiver Verhütung als Freibrief sehen. Missbrauchsfälle werden noch viel seltener aufgedeckt, weil es ja nicht zu ungewollten Schwangerschaften kommt.
In der Sexualerziehung, ja in der Erziehung generell geht es darum die Heranwachsenden darin zu bestärken ihre eigenen Grenzen zu kennen, zu wahren und zu schützen und somit auch die ihrer Mitmenschen zu respektieren. Auf dieser Basis ist ein liebevolles Miteinander möglich und Jede und Jeder kann so seine eigene Sexualität entdecken und wenn es soweit ist, dass er oder sie sich mit einem anderen Menschen vereinigen möchte, die nötigen Massnahmen zur Verhütung ergreifen oder sich Unterstützung dazu holen. Dies betrifft spezielle Menschen im gleichen Masse wie Normalos.
Sie alle sollten aufgeklärt werden, gemäss ihren Fähigkeiten und entsprechend ihren Lebensbedingungen. Dazu gehört auch ein Gespräch über Gefährdung und Missbrauch, aber auch über Partnerschaft und die Möglichkeiten der Verhütung sowie über eine differenzierte Auseinandersetzung mit dem Kinderwunsch.
Ich werde meiner Tochter raten, die Pille abzusetzen, solange bis sie sie wirklich zur Verhütung braucht.