Familienbande – heilvoll oder hindernd?

Familie, unser Hort der Liebe und Geborgenheit. ???

Wir alle werden in ein Familiensystem hineingeboren. Die Regeln, die darin gelten bilden einen Teil unserer Grundstruktur, nach deren Muster wir unsere Erfahrungen immer wieder abgleichen. Dies ist essentiell um zu überleben. Ein Wertesystem bildet sich, ohne das wir uns im Leben und auf dieser Welt nicht zurechtfänden.

Es ist bekannt, dass ein Kind ohne Berührung stirbt.

Die Einbettung in ein menschliches Umfeld ist für unsere Entwicklung unabdingbar.

In der Familie werden wir berührt und geführt, gestreichelt und gehätschelt, gefördert und gefordert, gelobt und gescholten, gehalten und getragen und…. .gestraft, geschlagen, missbraucht und gedemütigt.

Wir werden fürs Leben erzogen oder verzogen. Die Basis unserer Stärken und unserer Schwächen wird in der Ursprungsfamilie geschaffen. Muster, die uns weiterhelfen und solche, die uns ein Leben lang behindern können, werden angelegt – und das meistens noch unbewusst. Das heisst, wenn sie stören, braucht es so seine Zeit um sie zu entschlüsseln.

Die vergangenen und noch bevorstehenden Feiertage brachten und bringen all diese Zusammenhänge wieder vermehrt in unser Bewusstsein, denn Feiertage werden vorwiegend in der Familie gefeiert. Die Sippe versammelt sich an hohen Tagen. Manche üben gekonnt den Anpassungsdruck aus.

Auch schwarze Schafe werden in Familien gezüchtet und nehmen gerne Familienzusammenrottungen zum Anlass auf sich aufmerksam zu machen.

Und immer sind da auch welche, die den guten Müttern, älteren Schwestern und fürsorglichen Tanten zugeordnet werden können. Sie, die die Verantwortung nicht scheuen, noch schmutzige Hände, die anpacken und mithelfen, weil sie sich verantwortlich fühlen, für das Wohlergehen der Sippe und das Miteinander und auch noch für die gute Stimmung. Es sind die, die Gefahr laufen, sich dabei selber zu vergessen und die, die enttäuscht werden durch die unerfüllten Erwartungen und die zerstörte Hoffnung auf Harmonie, Liebe und vielleicht auch Dankbarkeit.

Und da sind auch die Anderen, die Rebellen, die immer noch in der Pubertät feststecken, die sich was trauen, motzen, stänkern, es sich herausnehmen andere herunterzuputzen und zurechtzuweisen, kaum ist etwas nicht nach ihrem Sinn, die, die sich ein Leben lang ihrem wütenden Ablösungskampf widmen und jeden darin verwickeln, der in die Quere kommt. Bindung herzustellen wird schwierig.

Dann gibt es die, die jedes Gespräch an sich reissen und sowieso immer den Ton angeben und die Schweiger, die die Bühne gerne anderen überlassen. Und es gibt noch diese Grossmütter oder -väter, die ihren ganzen Lebensfrust, ihre Trauer über durchlebte Kriegszeit, Armut und Missachtung bei solcher Gelegenheit in das System giessen, sodass sich die ganze Sippe gegen sie wendet, womit sie sich in ihrer depressiven Weltsicht bestätigt sehen und den anderen auch noch ein tolles Bauernopfer liefern.

Manchmal sind da auch die wirklich Glücklichen auszumachen, die in sich selber ruhen, auf Anfeindungen gar nicht reagieren müssen und durch nichts aus der Ruhe zu bringen sind. Das Rezept für diese Haltung ist heiss begehrt.

Zwischen alldem wuseln noch ein paar Kindern und Hunde herum, die noch ihre eigenen Spiele spielen und erst zaghaft übertragene Rollenmodelle üben.

Starke und schwache Charaktere, glückliche, unzufriedene, unsichere und egozentrische, exzentrische, zwanghafte, hysterische, entspannte, nähesuchende, despotische, besserwisserische, manische, gestresste, depressive, verträumte, pragmatische, zartbesaitete und so weiter, sie alle raufen sich zusammen oder auseinander, je nach dem wie sich die Energien an solchen Tagen verbinden.

Das waren nur ein paar Clichés!

Familiensysteme funktionieren jedes in sich, nach seinen eigenen Regeln. Familien können zur Mördergrube werden, der man möglichst schnell entrinnen sollte oder es gibt sie wirklich auch, diese anfangs erwähnten Horte des Glücks. Dazwischen spielen unzählige Varianten, so einzigartig, wie die zugehörigen Menschen.

Die Neuzeit und die sexuelle Revolution haben uns noch mehr Variationsmöglichkeiten geliefert: Familien werden auch getrennt und neu zusammengesetzt. Neue Konstellationen schaffen weitere Konflikte, aber auch wieder neue Verbindungen,  Möglichkeiten Unterstützung und Liebe ausserhalb der Blutlinie zu finden.

Familiengeschichten beschäftigen uns. Sie betreffen unser Sein und unser Werdenwollen.

Familie, ein grosser Stoff, sowohl literarisch, wie filmisch unendlich oft verwertet.

Man stelle sich vor, man könnte sich in Zukunft die Familie nach Wunsch selbst zusammenstellen. – Ein netter Gedanke!

Doch vielleicht können wir ja manchmal aus diesen unheilvoll scheinenden Verknüpfungen und Verstrickungen noch etwas lernen…. und sei es nur uns endlich zu befreien und unseren eigenen Weg zu gehen.