Gesunder Menschenverstand im Fortschritt

Heute morgen lass ich mich nicht lumpen und fahre mit den grossen Themen ein! Ist gesunder Menschenverstand ein hoher Anspruch? Schwierig zu sagen, denn es lässt sich eigentlich nicht genau definieren, was im Einzelnen damit gemeint ist und er bezieht sich per se auf jeden Einzelnen. Vielleicht geht es dabei um unseren Instinkt, darum situativ richtig oder besser gesagt vernünftig zu handeln. Schwierig, denn genau das liegt im Auge des Betrachters. Der gesunde Menschenverstand ist nicht gesetzlich verankerbar und doch scheint er mir so wichtig gerade bei der Handhabung von Recht und Ordnung, denn die sture Umsetzung führt oft zu nicht mehr nachvollziehbaren Auswüchsen, die mit Paragraphen stütz- und erklärbar sind, uns aber doch nur ein verständnisloses Kopfschütteln abverlangen.

Man könnte in diesem Zusammenhang wagen zu behaupten, dass unser Fortschritt, selbst die eben angenommene Präimplantationsdiagnostik eine wirklich tolle Sache ist und vielen Menschen helfen kann. Dies war auch der Grund, warum man auf diesem, wie vielen anderen Gebieten, geforscht hat.
Prinzipiell unterstütze ich das Prinzip der Freiheit in der Anwendung dieser Errungenschaften. Allerdings braucht es dazu eben diesen gesunden Menschenverstand.

Schon stehen wir auf unsicherem Boden und begegnen der Gefahr der Auswüchse und des Missbrauchs. Der gesunde Menschenverstand fusst auch auf unserem Menschen- und Weltbild, hat also einen philosophischen Hintergrund und bestimmt unsere Moral und unser Empfinden für Gut und Böse. Das Fundament dafür liegt schon bei den alten griechischen Philosophen, die unter anderem unser „aufgeklärtes“ Denken prägen, wie auch in unserer abendländischen Religion, dem Christentum, selbst wenn wir uns schon lange nicht mehr als besonders religiös bezeichnen würden. Es gäbe sicher noch viele Einflüsse aufzuzählen, worauf unsere Moral, das Rechtsempfinden, der gesunde Menschenverstand basiert. Ganz wichtig ist die grosse Zutat „persönliche Wahrnehmung und Interpretation“. Sie ist immer eine Unbekannte, nie eine Konstante. Sie ist ein flexibler Wert, individuell anwendbar und darum auch der Unsicherheitsfaktor par excellence.
Und doch ist dieser Wert unsere Hoffnung, das Zünglein an der Waage, das oft dazu beiträgt unsere Welt zu einer besseren zu machen. Schlussendlich entscheiden wir. Wir können die Möglichkeiten z.B. der Pränataldiagnostik und der Präimplantationsdiagnostik nutzen und entscheiden wie wir damit umgehen möchten. Wir entscheiden nie nur mit dem Kopf und mit logischer Vernunft und hoffentlich vermehrt mit gesundem Menschenverstand.
Darum sollten wir im Gespräch bleiben. Gerade Eltern mit einem speziellen Kind haben die Verantwortung den anderen zu zeigen, wie es (auch) gehen kann. Und wir alle haben die Verantwortung mit offenen Augen durchs Leben zu gehen, offen gegenüber dem Anderen, dem Ungewohnten, Unbekannten. Wir müssen den Dialog suchen und lernen gut zuzuhören. Wir können noch viel lernen von den anderen, von dem Fremden, das wir noch nicht kennen – auch viel Schönes!
Auf dieser zwischenmenschlichen Ebene werden wichtige Entscheidungen getroffen und spielt der gesunde Menschenverstand seinen Song, der davon handelt, dass wir in der Lage sind ein Kind mit Beeinträchtigung in Liebe und mit Freude grosszuziehen, davon, dass wir endlich auf unser Körper und unser Bauchgefühl hören sollen und uns und unsere Kinder nicht länger von Gesundheits- und Ernährungsstatistiken und Schönheitsidealen und sonstigen Trends geisseln lassen sollen, sondern in uns hineinhören, was für uns gut ist, was uns gut tut, davon dass andere Menschen die Welt nicht genau gleich sehen wie wir. Es hat für alle einen Platz!
Dieser Weg führt an der Liebe, auch der Eigenliebe vorbei, die uns, wenn sie uns denn begegnet ist, zur Akzeptanz führt. Die Akzeptanz, zusammen mit dem Mitgefühl und der Liebe tragen unseren gesunden Menschenverstand zu menschlichen Lösungen und einem guten Umgang mit all den den Anforderungen, die die Welt für uns bereit hält.

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