Kinder sollen Fehler machen – und lernen dürfen

Annina ist im Skilager. Am Sonntag hat ihr Vater sie hingefahren, am Samstag hole ich sie wieder ab, in Saanen. Das ist nicht gerade ein Katzensprung. Ja, eigentlich war es auch ziemlich teuer dieses Lager und eigentlich, ja, da hätte sie ja auch mit mir ein paar Tage in die Berge fahren können.

Klar! Aber, man muss ihn immer wieder verteidigen, Anninas Wunsch nach Erwachsensein und meine Haltung dazu, selbst vor mir selber manchmal. Nämlich dann, wenn sie mich anruft, weil sie am ersten Abend noch ein wenig Heimweh hat und ich sie am liebsten in den Arm nehmen und trösten möchte. Oder wenn sie klagt, dass ihr der Fuss weh tut, der Halux im extra präparierten Skischuh jetzt doch schmerzt und ich die Leiter anrufen und ihnen Anweisungen geben möchte, was in dem Fall zu tun ist. Oder sie sagt, sie habe zu Mittag zweimal Hamburger und Pommes bestellt und über den Tag etwa drei Liter Cola getrunken. Jetzt sei ihr ein bisschen schlecht. Dann möchte ich doch gerne mal von dieser Bezugsperson, die sie sicher hat, hören, warum sie sie nicht zu schmaleren Portionen motiviert.

Glücklicherweise bin ich all diesen, meinen Impulsen nicht gefolgt. Ich habe auch nicht noch einmal angerufen.

Ich liess es laufen. Sie wird sich schon melden. Ich dachte, dass Annina schon Hilfe kriegt, wenn sie welche braucht, dass sie auch lernen muss, sich diese zu holen, dass sie ja mit einer Freundin das Zimmer teilt, die ihr vielleicht auch helfen kann und dass sie bis am Samstag, wenn ich sie wieder abhole, wohl überlebt hat.

Sie hat vielleicht zu viel gegessen, kaum die Zähne geputzt, ihre Medis vergessen zu nehmen und sich nicht täglich geduscht. Ich nehm’s in Kauf. Es besteht auch die Chance, dass sie all dies schon alleine und eigenverantwortlich getan hat. Ich werde es erfahren.

Eins ist sicher: Wenn ich ständig anrufe um zu kontrollieren ob alles optimal läuft, kann sie nicht lernen selber zu denken. Dieser Prozess hat nun mal eine gewisse Fehlerquote, aber genau von Fehlern lernen wir am meisten.

Es ist eine grosse Herausforderung für Eltern, ihre Kinder Fehler machen zu lassen.