Man muss flexibel sein

Flexibel heisst beweglich, biegsam, elastisch und man beachte die zweite Bedeutung!: anpassungsfähig.

Nun – etwas in mir will sich sträuben. Vielleicht ist es nur kindlicher Trotz, weil man mir schon in Kinder- und Jugendtagen immer eingebleut hat, dass Flexibilität mich weiterbringen wird. Es ist wohl die Anpassung, die für mich im Zeitalter des Individualismus gerne einen schalen Beigeschmack bekommt. Vielleicht lässt sie sich ja wegargumentieren?

Grundsätzlich liegt es ja in unserem Ermessen wie anpassungsfähig wir sein wollen. Darin sind wir frei.

Irgendwie stimmt es, dass es Momente im Leben gibt, die wir uns erleichtern, wenn wir uns flexibel darauf einlassen. Wenn wir biegsam bleiben ist es leichter Neuem in adäquater Form zu begegnen.

Mütter und Väter müssen sehr flexibel sein.

Ein bekanntes Beispiel: Das Baby schläft nicht durch und nächtlich torkelt Mutter oder Vater in diesem bisher nicht gekannten schlafwandlerischen Dämmerzustand ins Kinderzimmer zu diesem neuen, kleinen, süssen Wesen um sein Bedürfnis nach Nähe und Futter zu befriedigen. Vielleicht war man auch vorausschauend genug und lässt das Kleine im Bett-Graben liegen, zwischen seinen Erzeugern. In jedem Fall wird man aus dem Schlaf gerissen, eine neue ungewohnte Erfahrung, die nicht unbedingt Glückshormone freisetzt.

Es gibt, weiss Gott, schönere Momente der Innigkeit als dieses nächtliche Stillen oder Fläschchengeben, dieser Kampf gegen hartnäckige Gähnattaken und Einschlafstösse.

Doch dann ist wohl nicht der Moment des Aufbegehrens! Ein Neugeborenes kann seinen Rhythmus noch nicht dem Unseren angleichen. Es hat noch nichts davon gehört, dass wir Gewohnheitstiere auf geregelte Schlaf-Wach-Zeiten bestehen. Je schneller sich Mutter und Vater mit der neuen Situation anfreunden können, desto besser der Einstieg in dieses neue Leben als Familie und in eine Zeit, in der wir Eltern unsere eigenen Bedürfnisse wirklich manchmal ein wenig hintanstellen müssen.

Flexibel reagieren hat ja auch wieder einmal mit Loslassen zu tun. Wenn ich nicht auf meinen alten Gewohnheiten beharre und mich leicht einer neuen Situation anzupassen weiss, dann entschärft sich diese oft schnell. Vielleicht schläft dann das Baby auch bald durch!

Natürlich ist empfohlen sich selber nicht zu vergessen und sobald sich eine gewisse Routine eingestellt hat, daran zu erinnern, dass man auch eigene Bedürfnisse hat und ihnen wieder einen Platz einzuräumen. Das hat übrigens den tollen Nebeneffekt, dass die Kinder von uns lernen, andere Menschen in ihren Bedürfnisse ernst zu nehmen und sich diesen manchmal anzupassen oder darauf zumindest flexibel zu reagieren. Das geschieht dann zum Wohle aller und der Gemeinschaft, von der man meistens ein Teil ist.

Das Wichtigste ist gesagt: Flexibilität oder Anpassung soll nie in Selbstaufgabe münden, ist aber doch das Schmiermittel, dass unsere Gemeinschaft, das soziale Gefüge zusammenhält. Die Anpassung ist ein flexibles Wechselspiel, unsere Biegsamkeit situativ variierbar.

Natürlich ist das nicht immer so leicht gesagt wie getan, vor allem nicht, wenn täglich so viele Bedürfnisäusserungen aus unserem Umfeld auf uns einprasseln. Und sie werden nicht weniger, je mehr wir uns darum bemühen ihnen gerecht zu werden.

Flexibilität ist erstrebenswert, es jedem Recht zu machen ein Stress.

Die Beweglichkeit kann trainiert werden indem wir immer wieder einmal unsere Bereitschaft und Spontaneität stretchen. Sie erlaubt uns ungeplant neue Erfahrungen zu machen in der Erziehung unserer Kinder und im Erleben der Welt.

Flexibilität ist vielleicht eine Eigenschaft, die sich Mütter und Väter umständehalber ganz natürlich und schnell aneignen, aber sie ist keineswegs nur ihnen vorbehalten. Hoffentlich!

Ich muss meinen Eltern wirklich danken, dass sie mir dazu geraten haben.

Die Anpassung allerdings, die kann man getrost immer wieder mal über Bord werfen und damit auch dem Nachwuchs zeigen, dass es sich allemal lohnt ab und zu über die Stränge zu schlagen, nicht immer alles hinzunehmen nur damit alle anderen zufrieden bleiben. Manchmal bewirkt ein bisschen Unruhe einen Wandel im System. Auch das System muss flexibel bleiben.

Schliesslich paart sich Flexibilität mit Offenheit und Akzeptanz und davon bräuchten wir gerade jetzt viel.