Therme Vals – ein halb volles Glas

Therme Vals. Drei Stunden Erholung pur. Im warmen Wasser liegen, sich tragen lassen, den Blick in den Himmel gerichtet oder auf die mächtige Bergkulisse. Wenig Worte zwischen meiner Tochter und mir, Zeit die keiner Diskussion und keiner Klärung bedarf. Zeit um zu sein, Zeit um zu geniessen.

Mich spüren, meinen Körper wie er sich der Bewegung des Wassers hingibt, wieder die Sehnsucht, die in mir aufsteigt, das Schwere loszulassen und mich der Leichtigkeit zu überlassen. Warmes Wasser plätschert aus Kupferrohren. Ich stelle mich darunter und lasse mir den schmerzenden Nacken massieren, der sich bis ins Denkzentrum verkrampft hat. Wohl ist der Weg der umgekehrte und meine massive „Mentalanstrengungen“ strahlen in den Körper hinunter.

„Wie schön“, denke ich „sich treiben zu lassen, wenigstens einen Nachmittag lang. Daran werde ich mich erinnern, noch lange!“ Der Wunsch nach mehr steigt in mir auf.  Wie schon so oft gestehe ich mir kein Recht dazu ein. Ich habe es nicht verdient mehr zu wollen. Meine Arbeitsleistung schätze ich zu gering ein. Sie rechtfertigt keine wochenlange Erholung. So sehr ich mir diese wünschte, so sehr verbiete ich sie mir. Wenn ich dann endlich bezahlt werde, wenn ich überlastet bin durch Termine, dann, ja dann, darf ich mir erlauben müde zu sein. Familienarbeit gilt nicht, unbezahlt und ungeachtet – von mir selber. Ist es verwunderlich, dass mir genau diese Haltung auch entgegengebracht wird? So scheint es mir. „Lehre Deine Mitmenschen, wie sie Dich behandeln sollen“ Das habe ich letzthin gelesen. Wie wahr! Alte Denkmuster abzulegen ist mitunter etwas vom Schwierigsten. Automatismen, die sich täglich neu einkerben zu löschen ist ein anspruchsvolles Unterfangen. Auch das verbraucht meine Energie.

Noch einmal versuche ich mich von den Gedanken, die meinen Wunsch nach Erholung mit Gegenargumenten jagen, zu entkommen. Noch einmal gebe ich mich dem Wasser hin, wie ein sachte schlenkerndes Boot in der Mittagssonne. Ich nehme mir das, was jetzt, in diesem Moment zu haben ist. So bleibt das Glas halb voll.